Zwei Wochen im Katastrophengebiet

/, Hilfswerk/Zwei Wochen im Katastrophengebiet
  • Praktische Hilfe für den Besitzer eines überfluteten Hauses, der sogar Opfer von Plünderungen wurde.

Zwei Wochen im Katastrophengebiet

2021-09-03T11:52:08+02:0030. August 2021|

Erlebnisberichte der Betroffenen

Als wir am 17.07.2021 mit der ersten Gruppe in Sinzig anreisten, merkten wir, dass keine Videoaufnahme den Zustand dieser Katastrophe beschreiben kann. Alles war voller Schlamm und Staub, Häuser waren zerstört, Autos, Wohnwagen und weitere Fahrzeuge waren von der Flut weggeschwemmt worden. Das Wasser stand bei den meisten Häusern bis über den Türrahmen im Erdgeschoss.

 

Wir verbrachten zwei Wochen mit unserer Gruppe in diesem Gebiet, räumten Keller aus und schippten Schlamm und Wasser. Die Menschen waren sehr dankbar für die Hilfe, die sie bekamen. Sie sind oft auf sich allein gestellt oder zu alt, um diese Mengen an Schlamm zu beseitigen. Momentan fehlen auch die finanziellen Mittel, um den Schaden vollständig zu beseitigen. Die meisten Betroffenen waren nicht gegen Hochwasser abgesichert und stehen jetzt vor dem Nichts. Sie haben alles verloren. Eine junge Frau, deren Keller wir ausräumten, erzählte, dass die Kleidung, die sie in diesem Moment anhabe, alles sei, was sie noch besitze.

 

Unsere Aufgaben in den ersten zwei Wochen

Nachdem die meisten Keller von Schlamm und Möbeln befreit waren, begannen wir mit den Abrissarbeiten. Nun geht es weiter. Die Menschen müssen mit Kühlschränken, Küchen und Waschmaschinen versorgt werden. Auch Hygieneartikel und Nahrungsmittel werden benötigt. Momentan bekommen die Einwohner dort regelmäßig Leitungswasser in Regentonnen angeliefert, womit sie sich waschen können. Einige Dixi-Klos wurden aufgestellt.

 

In den Ortschaften gibt es weder Strom noch Wasser oder Gas. Die Menschen werden dort aktuell noch mit kostenlosen Speisen und Getränken versorgt, jedoch weiß keiner wie lange. Die meisten Menschen haben ihr Auto verloren. Auch die Geschäfte sind betroffen und können nicht öffnen.

 

Die Info vom 31.7. lautete, dass es noch ein paar Wochen dauern werde, bis es wieder Strom gibt. Wenn alles gut läuft, werden die Menschen dort Ende Dezember Gas haben, benötigen aber noch Heizgeräte für die kalten Jahreszeiten.

 

Persönliche Erlebnisberichte der Betroffenen

Am Montag räumten wir ein Haus leer, in welchem ein paar Stunden zuvor eine tote Frau in der Garage gefunden worden war. Die Garage hatte sich durch den Schlamm nicht öffnen lassen und war dann aufgebrochen worden.

 

Am Dienstag halfen wir einer Familie, in der die 78- jährige Mutter am Tag des Geschehens noch kurz in den Keller hatte laufen wollen. Als sie wieder nach oben eilen wollte, fiel durch die Wassermassen ein Schrank um und klemmte die Frau ein. Das Wasser stand ihr schon nach sehr kurzer Zeit bis zum Hals und sie konnte sich nicht mehr befreien. Ihre Tochter bemerkte, was geschehen war und schrie so laut um Hilfe, dass noch während der Fluten drei Männer kamen und die Frau aus dem Schlamm zogen.

Wir sahen diese Frau noch während unseres Einsatzes. Ihre Arme waren durch die Rettungsaktion mit blauen Flecken übersäht. Die Tochter konnte sich nicht erklären, wie die Männer es geschafft hatten, die Frau trotz der Flut zu retten.

Noch während wir dieses Haus leer räumten, wurde im Nachbarhaus ein 6-jähriges totes Kind geborgen, welches durch die Flut angeschwemmt worden war.

 

Am Mittwoch halfen wir in einem Haus, dessen Besitzerin im letzten Moment von der Nachbarin aus dem Wasser gezogen worden war. Dabei mussten sie sich die Todesschreie der Nachbarn anhören, die es leider nicht überlebt haben. Von ähnlichen Erlebnissen haben uns leider viele Menschen berichtet, die miterleben mussten, wie ihre Nachbarn ums Leben kamen.

 

Wir unterhielten uns auch mit einer älteren Dame, nennen wir sie Frau Sonntag. Sie erzählte uns, dass sie und ihr Mann während der Flut ins Obergeschoss geflohen waren. Als sie nach draußen schauten, sahen sie die Nachbarn vor der Tür stehen, ausgesperrt von der Flut. Das Wasser stieg immer weiter. Sie riefen um Hilfe, konnten aber nirgendwo hin. Als das Wasser ihnen schon bis zum Hals stand, lief Frau Sonntags Mann die Treppe hinunter und öffnete mit aller Kraft die Tür, während Frau Sonntag ihn am Hosenbund festhielt. Die Nachbarn zerrten sich am Treppengeländer und am Zaun entlang zu ihnen ins Haus, wo sich auch alle retten konnten.

 

Die Menschen in diesem Gebiet sind total verstört und sehen oft keinen Sinn in der Zukunft. Wir mussten uns von einigen persönlich anhören, dass sie sich schon „die Kugel gegeben hätten“, wenn ihnen die freiwilligen Helfer nicht Mut zugesprochen hätten. Den Menschen fehlt Halt, Mut und Zuversicht. Sie haben Angst davor, allein zu bleiben, wenn der größte Teil der Arbeit getan ist.

 

Christina Dai,
Gemeinde Güllesheim

 

Weitere Infos zu dem Projekt und Möglichkeit zum Spenden:

https://cdh-stephanus.org/ueberschwemmung/