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Aus einem Gespräch mit dem Koordinator der Fluthilfe, Leo Altmann
„Der erste Bewohner, mit dem ich vor Ort sprach, war ein älterer Mann. Er fragte mich, wer wir seien. Ich antwortete, wir seien Christen und kämen zum Helfen. Er drehte sich um und weinte schweigend. So sehr war er davon berührt.“ Leo Altmann, Koordinator der Hilfsleistung seitens des Missionswerks CDH-Stephanus, erzählt von seinen Eindrücken und Erfahrungen im Krisengebiet.
Von Gott gebraucht zu werden, ist ein Segen
Sein Name ist mittlerweile vielen bekannt: „Ich bin der, der immer angerufen wurde“, lächelte Leo. Dass ihm diese wichtige Aufgabe anvertraut wurde, ist für Leo ein Zeugnis. Wer Gott bittet, ihn zu gebrauchen, den gebraucht der Herr.
Leo war in seiner Gemeinde schon immer sehr aktiv: Als Jugendgruppen-, Kinderchor- und Streichorchesterleiter diente er dem Herrn fleißig. Als die Zeit kam, heiratete Leo seine liebe Frau Anastasia: Im März dieses Jahres gründeten die jungen Leute ihre Familie. Kurz danach kam eine nicht ganz stressfreie Zeit für die beiden: Sie befanden sich beide in der Prüfungsphase, die für Leo Ende Juni und für Anastasia Ende August vorbei war.
Aufgrund der bevorstehenden Hochzeit, der anschließenden Prüfungen und wegen des Ausfalls des musikalischen Dienstes in der Gemeinde konnte Leo seinen Pflichten nicht mehr aktiv nachgehen. Nach seinen Prüfungen begann er wieder intensiv, Gottes Willen zu suchen. Am zweiten Abend der Katastrope betete er zu Gott mit einfachen, aber ernsten Worten: „Herr, wenn Du möchtest, gebrauche mich. Ich bin wieder bereit dazu.“
Morgens hörte er auf der Arbeit im Radio die Nachricht von der Flut. Erst schenkte Leo diesem keine große Aufmerksamkeit. Als er im Büro ankam, erhielt er eine E-Mail mit dem Betreff: „Persönliche Hilfe für die Hochwassergeschädigten im Landkreis Ahrweiler“. Erst jetzt wurde es ihm bewusst, dass etwas wirklich Schlimmes passiert war. Leo meldete sich als Freiwilliger und fragte in seinem Bekanntenkreis, wer mitkommen wolle.
Reinhold Wall aus der Gemeinde Ramstein meldete sich ebenfalls an. Zuerst wurde mit 20 - 30 Mann gerechnet. Kurze Zeit später schlug Reinhold vor, einen Aufruf durch das Missionswerk zu machen. Am gleichen Abend waren es 180 angemeldete Geschwister. Leo übernahm die Organisation und telefonierte mit verschiedenen Behörden und Busunternehmen, um die Genehmigung zu bekommen und Reisebusse zu organisieren.
Am Morgen des 17. Juli war es so weit: Die Freiwilligen durften einreisen und mit anpacken.
Jetzt bekam die Katastrophe ein Gesicht: Erschreckend und völlig entsetzend. „Es war gewaltig: Kein Strom, völlig zerstörte Häuser, ausgerissene Bäume. So etwas hatten wir noch nie gesehen. Überall war Schlamm und Zerstörung. Wir fragten einen Feuerwehrmann, wo wir helfen sollten. Er antwortete: „Fragt die Betroffenen und helft, wo es nötig ist.“
Wir gingen zum nächstgelegenen Haus und fingen an, den Keller vom Schlamm zu reinigen“, erzählt Leo. Erst später erinnerte Leo sich an sein Gebet am Vorabend der Katastrophe.
Die ersten zwei Wochen wurde er von der Arbeit freigestellt, damit er sich der Koordination vor Ort völlig widmen konnte. „Ich wurde abends, morgens und nachts angerufen und angeschrieben. Oft blieb ich bis zum frühen Morgen wach, um organisatorische Dinge wie Einsatzgebiete, Reisebusse oder Anmeldungen zu bearbeiten. Es gab sehr viel zu tun. Im Moment arbeite ich wieder voll und erledige die Koordinationsaufgaben nach dem Feierabend. So habe ich oft nur sehr wenig Zeit für meine Frau. Aber sie hat volles Verständnis dafür.“
Anastasia nimmt ebenso aktiv an der Hilfsaktion teil: Sie segnet Leo, betet für ihn und unterstützt ihn bei der Organisation. Beide sind sich einig: Sie haben sich die erste Zeit nach der Hochzeit etwas anders vorgestellt. Doch zugleich sind sie gewiss, dass es ein besonderer Segen ist, von Gott gebraucht zu werden, auch wenn es mit bestimmten Nachteilen im persönlichen Leben verbunden ist. Durch die letzten Ereignisse festigten sie sich in dem Gedanken: Gott selbst bewegt Menschen. Er ist sehr nah und antwortet auf Gebete. Menschen, die wirklich gebraucht werden wollen, werden erhört.
Das Evangelium durchschallen lassen
Leo erzählt, was er vor Ort erlebte: „Die „singenden Helfer“ wurden schnell bekannt. Das Singen über Gott und die Hoffnung inmitten der Verwüstung machte den betroffenen Menschen Mut und baute sie auf. Es war wie Balsam auf den verletzten Seelen. Oft weinten die Menschen beim Hören. Einmal begaben wir uns nach dem Singen zu unseren Bussen, um nach Hause zu fahren. Wir gingen an zwei Teenagern vorbei und ein Mädchen sagte dem anderen: „Das muss ein Zeichen für uns gewesen sein.“
Ein anderes Mal erzählte mir ein Bewohner Ahrbrücks von dem Kreuz, das im Dorf am Ahr-Ufer steht. Um das Kreuz herum lief der Strom und zerstörte alles auf seinem Wege. Nur das Kreuz blieb verschont. „Als habe sich das Wasser vor dem Kreuz geteilt“, wunderte sich der Mann. Ich sah dieses Kreuz: Es ist nicht einmal gebogen! Immer wieder aufs Neue erkennen die Menschen dort Gottes Hand und Seine Zeichen.
Die Menschen in diesem Gebiet sind zum Teil religiös. Zumindest die über 40-Jährigen kennen noch den Glauben ihrer Eltern und Großeltern. Sie geben zu, sie dachten, es gäbe nicht mehr viele Menschen, die an Gott glauben und Ihm ernsthaft folgen. Die Gottesdienste in den Ortskirchen der betroffenen Gebiete wurden bis dahin meist nur gelegentlich und wenn, dann gemeinsam mit anderen Ortskirchen durchgeführt, da es sonst nicht genügend Teilnehmer in jeder einzelnen Kirche gab. Überwiegend stehen diese leer. Im Moment dienen sie aber als Verteilungspunkte der Hilfsgüter.
Unser Einsatz war ein starkes Zeugnis für die Betroffenen. Immer wieder wurden wir gefragt, warum wir das machten. Die Menschen wurden nicht müde, sich zu wundern, dass die Nächstenliebe, die aus der Bibel bekannt ist, wirklich existiert. Im Moment ist noch nicht die Zeit, dort in Form von Gottesdiensten zu evangelisieren, da die Orte weiterhin größtenteils verwüstet sind und die Wunden und der Schmerz sowie die innere Wut noch sehr die Herzen plagt. Aber unsere tatkräftige Unterstützung öffnet immer mehr die Ohren und Herzen der Bewohner.
Durch das ganze Geschehen kommen die Menschen näher zueinander und sie geben zu: Es gibt auch gute Seiten dieser Katastrophe.
Wir hoffen sehr, dass wir in der Zukunft an den Orten, an denen wir am meisten halfen, den Anwohnern das Evangelium bringen können, denn das eigentliche Ziel steht uns noch bevor: Wir wollen diesen Menschen die frohe Botschaft des Evangeliums bringen, die Liebe Christi durchschallen lassen, um vor allem die seelischen Schmerzen zu lindern und für Gott viele Herzen zu gewinnen. Möge Gott uns dazu die nötige Weisheit schenken. Wir brauchen dabei eure Gebetsunterstützung, liebe Geschwister!“
Das Interview führte
Kateryna Solopova