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Die Jahrhundertflut im Juli 2021 veränderte innerhalb weniger Minuten das Schicksal vieler Menschen. Die Helfer im Ahrtal teilen ihre bewegenden Eindrücke.
Eine unbeschreibliche Notlage
Das Gespräch mit einem Mann aus Dernau offenbart die erdrückende Situation in der Katastrophennacht des 15. Juli. Die ganze Familie rettete sich nach oben auf das Dachgeschoss und hörte dem Rauschen der Wasserflut zu. Abgesehen davon war es totenstill. Und stockdunkel. Kein Licht zu sehen, der Strom war komplett ausgefallen, es waren kaum noch menschliche Hilferufe zu hören, einfach gespenstische Stille. Seine Beschreibung lässt einen sogar Gänsehaut spüren.
Nach dem ersten schockierenden Eindruck vor Ort funktionierten wir jungen Helfer einfach nur. Das heißt, wir schaufelten und arbeiteten solange die Kraft reichte. Wenn wir darüber nachdachten, welches persönliche Leid hier viele getroffen hatte, lähmte es die Kraft. Wir ließen uns auf die unfassbar dreckige Umgebung einfach ein. Die meisten Gesichter waren schlammverschmiert, nicht nur die Stirn und Wangen, sondern teilweise auch die Haare und Zähne. Also nichts für schwache Nerven. Manchmal griffen wir nach Dingen, die auf dem schlammbedeckten Boden lagen, und wussten nicht, was es war.
Wie die Situation für die betroffenen Personen vor Ort sein musste, das lässt sich nicht anständig beschreiben.
Gemeinde Miesau
Ein starkes Zeugnis
In der Ortschaft Sinzig erfuhren wir von einem Pflegeheim, welches besonders betroffen war. Zwölf Menschen ertranken ohne Chance auf Rettung innerhalb von zwei Stunden, als das Wasser rasant anstieg. In dieser Flutnacht hörten die Nachbarn zwar Hilferufe, doch niemand konnte etwas für sie tun. Jeder war mit seiner eigenen bedrohlichen Lage beschäftigt.
Der Elan und die Motivation unserer Gruppe ermutigten auch die betroffenen Familien. Und so verabschiedeten sie uns nach getaner Arbeit mit einem riesigen Dankeschön und unterdrückten Tränen. Überall sagten wir den Leuten ganz klar, dass sie ihren Dank an Gott richten sollten und nicht an uns. Ein Mann erwiderte uns: „Da oben werde ich auch Danke sagen.“
Es gab ein spannendes Gespräch mit einem Christen, der mehr verloren hatte als die meisten. Und da die meisten Häuser entlang der Ahr und in den betroffenen Gebieten gar nicht versichert sind, wiegt der materielle Verlust enorm schwer. Doch dieser Christ betonte die Vergänglichkeit des Diesseits und war erfüllt von einer bewundernswerten Hoffnung auf das ewige Leben: „Ich gehöre Jesus!“, sagte er überzeugt. Ihn brachte diese Katastrophe nicht aus dem Gleichgewicht. Ein starkes Zeugnis.
Gemeinde Miesau
Schätze im Himmel
Unser Zielort Mayschoss war vom Hochwasser stark betroffen. Das Wasser stand hier teilweise acht Meter hoch. Am Mayschoßer Weinkeller wurde viel Hilfe benötigt, denn im ganzen Keller stand etwa dreißig Zentimer tiefer Matsch. Mit Schaufeln, Schubkarren, Besen und Eimern beseitigten wir den Matsch. Anschließend wurden alle Möbel entsorgt.
Ich hatte die Möglichkeit mit den Betroffenen vor Ort zu sprechen. Dabei erfuhr ich, dass einige ihre Familienangehörigen verloren hatten und viele Häuser durch den starken Druck weggespült wurden. Nur wenige Menschen besaßen eine Elementarversicherung, und so verloren sie durch das Hochwasser alles. Ich denke an die Bibelverse aus Matthäus 6. Sie erinnern uns daran, auf Erden keine Schätze zu sammeln, denn das ist vergänglich. Möge Gott uns die Kraft geben, unsere Schätze nicht auf Erden, sondern im Himmel zu sammeln.
Gemeinde Tostedt
Den Frieden bewahrt
Vom Startplatz Nürburgring aus wurden wir Helfer in verschiedene Busse eingeteilt. Bei der Ankunft der Busse stimmten wir das Lied „Gib helfende Hände mir, Herr, für die Not“ an. Nach und nach sangen alle Helfer mit. Ich beobachtete eine Busfahrerin, die sich zu Tränen gerührt bedankte. Dass wir diese Seele mit dem Lied erreichten, macht mich unglaublich glücklich.
Wir sprachen mit einer Frau, die uns erzählte, dass sie mit ihrer Nachbarin telefoniert habe. Sie sei so erschüttert über den Zustand ihres Hauses, dass sie nur fähig war, nach ihrem „Shalom – Teller“ zu fragen. Wir waren alle sehr verwundert, machten uns aber auf die Suche nach dem besagten Teller. Im Haus lag alles drunter und drüber, doch den „Shalom – Teller“ fanden wir unbeschädigt an der Wand hängen. Hier war der Frieden wohl erhalten geblieben.
Nico Finder,
Gemeinde Sottrum und Bremen-Mahndorf
Werke mit Wirkung
„So lasst euer Licht leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen“ (Mt 5,16).
Diesen Vers durften wir während der Hilfsleistung im Hochwassergebiet ganz neu erleben und verstehen, nachdem wir ein Haus bis zum Abend vom Schlamm freigeschaufelt hatten. In Gesprächen hörten wir die aufrichtigen Worte der Betroffenen: „Gott sei Dank!“. Die Menschen verherrlichten den Namen des Herrn durch unsere Werke. Das machte uns deutlich, dass unsere Werke oft mehr Wirkung haben als bloße Worte.
Auf der Suche nach Arbeit fiel uns eine verzweifelte Frau auf. Sie fing an zu weinen und beschrieb uns ihre Lage. Vier ganze Tage wartete sie bereits auf Hilfe, um ihren Keller freizuräumen. Es handelte sich um ein Mehrfamilienhaus mit einer Grundfläche von 140 qm, der Schlamm reichte vom Keller bis hoch zum Erdgeschoss. Zudem war der Heizöltank ausgelaufen. Wir setzten uns zum Ziel, den Keller bis zur Abfahrt gesäubert zu haben.
Die Vermieterin des Hauses war in einem völlig labilen Zustand. Daher schickten wir sie weg und versprachen ihr, uns um ihr Problem zu kümmern. Später erfuhren wir, dass ihre Stiefmutter durch die Katastrophe ums Leben gekommen war. Wir trafen sie im Laufe des Tages zusammengebrochen, von Sanitätern betreut. Mit Gottes Hilfe konnten wir den Keller vollständig entleeren und so das Projekt im Hause der Frau erfolgreich beenden.
Linette Korbmacher
Gemeinde Speyer
Dankbar trotz Verlust
Die Hilfsbereitschaft war so groß, dass sich im Prinzip jeden Tag ein Konvoi von Helfern auf den Weg machte, um den Menschen in Nächstenliebe zu helfen. Selbst wenn man vor Ort war, war es immer noch schwer vorstellbar, in welch großer Not die betroffenen Menschen steckten und noch eine lange Zeit stecken würden.
Es ergab sich die Möglichkeit, mit einigen Flutopfern zu sprechen. Sie erzählten uns, dass sie durch die Flut alles verloren hätten, wofür sie so lange gearbeitet hatten. Dennoch waren sie dankbar, dass sie leben durften. Wir sind das Licht der Welt, so sagt es das Wort Gottes. Diese Hilfsaktion war eine wunderbare Möglichkeit, für den Herrn zu leuchten.
Thomas und Markus Rusezki,
Andreas Kiel,
Gemeinde Seckach
Der Wert der Nächstenliebe
An zwei Wochenenden war ich mit verschiedenen Truppen vor Ort. Hauptsächlich ging es darum, den Menschen dabei zu helfen, ihre Häuser und Wohnungen vom Schlamm zu befreien und die Möbel und Wertgegenstände aus dem Haus zu tragen. Dies erforderte zwar keine besondere Kompetenz, wurde aber mit unbezahlbarem Dank in den Augen der Betroffenen entlohnt. Es ist nicht in Worte zu fassen, wieviel Dankbarkeit man als Helfer spüren konnte.
Einer Frau halfen wir dabei, einen vollgesogenen Teppich aus einem mehrstöckigen Haus zu tragen. Mehrere Stunden später erkannte sie uns und bedankte sich erneut aus tiefstem Herzen.
Wir halfen auch einem älteren Mann seinen Heizkeller leerzuschaufeln. Er bedankte sich anschließend mit sichtbarem Schmerz in den Augen und wollte uns trotz seines eigenen Schadens noch Geld mitgeben, was wir ablehnten. Wir taten es aus Liebe.
Daniel Nosatsch
Gemeinde Salzgitter