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Aus dem Leben von Paul Moser
Auch wenn wir bereits einige Zeugnisse von Großeltern kennen, so führt uns diese Lebensgeschichte wieder vor Augen, wie herrlich es ist, von Gott berufen und gerufen zu werden. Der Ruf Gottes in der Kindheit, Militärdienst und Verfolgung durch das KGB sind die ersten Stationen eines mehrteiligen spannenden Zeugnisses.
Paul Moser kam am 31.07.1957 im Norden Russlands zur Welt. Seine Eltern, kommend aus dem lutherischen Glauben, schlossen sich später der Pfingstbewegung an. Heute leitet Bruder Paul die Freie Evangeliums Christen Gemeinde in Papenburg. Im nachfolgenden Bericht erzählt er aus seinem Leben, mit welchem er der heutigen Generation Mut geben will, für den Glauben einzustehen. Das Zeugnis dient zur Ehre Gottes und Seiner Verherrlichung.
Das klopfende Herz
Trotz der atheistischen Propaganda und des staatlichen Drucks durfte ich Gott von klein auf kennenlernen und erleben. Wir Kinder saßen während der Versammlungen immer ganz vorne und durften erleben, wie Menschen Buße taten und ihr Leben Gott übergaben. Wir sahen, wie sie die Erfüllung des Geistes erlebten und durch Handauflegung Heilung erfuhren.
Auch wenn wir selbst noch nicht bekehrt waren, prägten diese Erfahrungen unser Denken und unsere Einstellung. Durch den öffentlichen Druck waren wir schon früh gezwungen, für unseren Glauben einzustehen. Diskriminierung und öffentliche Demütigungen waren insbesondere in der Schule an der Tagesordnung. Umso mehr waren die Eltern darauf bedacht, ihre Kinder bereits früh im Glauben zu festigen. Mein Vater ermutigte mich stets, im Wort Gottes zu lesen. Ich tat es gerne. Ich werde den Tag nie vergessen, als ich Gottes persönliches Reden zu mir zum ersten Mal erlebte.
Es war ein normaler Gottesdienst. Ein Bruder las das Wort aus Offenbarung 3,20: „Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an.“ Ich spürte mein Herz klopfen und dachte, dass Jesus noch vor meiner Herzenstür stand und anklopfte. Wir gingen ins Gebet. Das Gebet in der Gemeinde war sehr stark. Im kindlichen Verständnis legte ich eine Hand auf meine Brust und hörte in mich hinein. Das Herz schlug nicht. Da kam Zufriedenheit und Dankbarkeit gegenüber dem Herrn in mir auf, dass Er mich angenommen hatte und in mein Herz gekommen war. Es war ein kindlicher Glaube.
Als das Gebet beendet war und ich wieder die Hand auf meine Brust legte, spürte ich mit einem Mal voller Schrecken, dass mein Herz wieder klopfte. War denn der Herr doch nicht in meinem Herzen? Die Tragweite dieser Erkenntnis traf mich wie ein Schlag. Ich wollte schnell den Raum verlassen und lief weinend hinaus. An der Tür stieß ich mit einem Bruder zusammen. Dieser sah in meine verweinten Augen und entschuldigte sich, da er dachte, er hätte mir wehgetan. Ich weinte sehr und konnte nichts sagen. Da kam mein Freund zu mir und fragte, was mit mir los sei.
Ich war nur mit einem Gedanken beschäftigt und sagte: „Mein Herz klopft.“ Er verstand nicht und ich wiederholte diesen Satz. Dann antwortete er: „Wenn dein Herz aufhört zu klopfen, dann bringen sie dich zum Friedhof.“ Ich verstand nichts mehr. Er merkte, dass mit mir etwas passiert war und brachte mich zu den Brüdern. Sie erklärten mir alles: Gott wollte mir im Gebet zeigen, dass Er mit mir ist und wollte meinen Glauben dadurch stärken, als ich während des Gebets das Klopfen nicht spürte. Doch mein Herz musste klopfen, sonst musste ich sterben. Ich verstand und erlebte einen Neuanfang. Nun war ich sicher, dass Jesus in meinem Herzen lebte. Ich war so glücklich, dass ich am liebsten direkt zu Ihm in den Himmel kommen wollte.
Abends darauf sah ich während des Gebets im Gottesdienst ein Bild: Der Himmel öffnete sich und ein Mann im weißen Kleid hielt ein Buch mit dem Buchrücken zu mir. Auf meine Frage hin, was Gott mir zeigen möchte, drehte er die Hand und ich las die Worte: Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Ich erkannte, dass Jesus mich zum Dienst rief. Mein Leben nahm eine 180° Wendung. Von diesem Moment an folgte ich Ihm nach.
Die Verfolgung im Alltag
Die Umstände, unter denen wir versuchten, unseren Glauben auszuleben und unseren Alltag zu bewältigen, waren denkbar schwierig. Komi Krai, unsere Heimatstadt, lag nur 300 km vom Polarmeer entfernt. Während der Polarnacht herrschte dort bis auf eineinhalb Stunden immerwährende Dunkelheit. Die Temperaturen sanken manchmal auf bis zu -60°C und ließen das Blut gefrieren.
Die Polizei war den Gläubigen immer auf den Fersen. Um die Gemeinden zu zerstören und die Verantwortlichen aufzuspüren, war ihnen jedes Mittel recht.
Die Aktivitäten des KGB gingen sogar so weit, dass sie Spitzel in die Gemeinde einschleusten, um Gemeindemitglieder zu erpressen. Der Druck war enorm hoch, dennoch hielt er die Christen zu einem heiligen Leben an. Gottesdienste waren grundsätzlich nicht erlaubt. Die Versammlungen fanden in Privathäusern statt. Wir Kinder und Jugendlichen durften eigentlich noch keine Versammlungen besuchen.
Trotzdem trafen wir uns manchmal absichtlich zur selben Zeit, um die Aufmerksamkeit des KGB von der Gemeinde wegzulenken. Wenn das KGB uns fand, lenkten wir sie ab und gewannen somit Zeit, die Gemeinde zu warnen. Wir waren zu jung, um Angst zu haben. An Kindern vergriffen sich die Polizisten kaum, da sie die Reaktionen der Bevölkerung fürchteten. Die Männer Sibiriens waren grob, doch Gewalt gegen Kinder duldeten sie nicht. Diese Sicherheit und unsere Ahnungslosigkeit ließen uns manchmal sogar recht frech gegenüber der Polizei werden.
Ein Gottesdienst, bei dem wir wieder einmal von der Polizei gestört wurden, ist mir in lebhafter Erinnerung: Als sie reinkamen, riefen die Ältesten, dass wir nicht diskutieren, sondern sofort ins Gebet gehen würden. Wir knieten uns alle nieder. Die Polizisten polterten los und schrien, dass wir aufhören sollten. Sie packten einen Bruder und versuchten, ihn auf die Füße zu stellen, doch er ging sogleich wieder auf die Knie. Daraufhin ging ein Bruder zu ihnen und sagte: „Warum verhaltet ihr euch so grob? Wir wollen doch nicht auseinanderlaufen. Das Gebet endet gleich und dann können wir reden.“
Nach dem Gebet reagierten die Schwestern schnell. Sie zogen die Tische auseinander, als wollten sie ein Mahl zubereiten und luden die Polizisten zum Essen ein. Vollkommen verdutzt und wohl auch etwas beschämt lehnten die Polizisten ab und flohen aus dem Haus, als die Schwestern sie weiter zu Tisch drängten. Nachdem sie weg waren, fragte die Frau des Hauses völlig überrascht ihre Glaubensschwestern: „Was wolltet ihr ihnen denn auftischen?“ Die anderen erwiderten: „Wir wissen es selbst nicht. Es kam uns einfach der Gedanke, sie einzuladen“. Darin sahen wir Gottes Führung.
Der Schwur
Die Zeit im Militär war für uns Jungs oft die schwerste Prüfung. Es fing schon damit an, dass wir den Schwur nicht leisten wollten. Gott gebietet, dass unser Ja ein Ja und unser Nein ein Nein sein sollte (vgl. Mt 5,37). Deshalb, aber auch weil der Schwur beinhaltete, das Vaterland bis zum letzten Blutstropfen zu verteidigen, verbot uns unser Gewissen, diese Worte auszusprechen.
Die Liebe zum Vaterland und die vollkommene Aufopferung wurde uns bereits in der Schule beigebracht. Wir hörten Geschichten von Menschen, die von Faschisten gefoltert und Eltern, die vor den Augen ihrer Kinder mit dem Bügeleisen verbrannt wurden. Doch sie blieben ihrem Vaterland treu bis zum Tod. Wenn man mich aufgrund meiner Überzeugungen bedrängte, erwiderte ich manchmal: „Wenn diese Menschen dem Irdischen so treu blieben, sollte ich dann nicht vielmehr dem Himmlischen treu bleiben?“ Wir leben in der Welt, aber nicht mit dieser Welt. Das hieß für mich, die Geschichte meines Landes zu kennen, um daraus etwas für mich mitnehmen zu können.
Obwohl ich die Wassertaufe noch nicht hatte, war ich bei meinem Eintritt ins Militär fest entschlossen, den Schwur nicht abzulegen und alle Schmach auf mich zu nehmen, die mir um Christi Willen widerfahren sollte. Gerade um diese Zeit erreichte uns durch die Baptisten die Nachricht vom grausamen Tod Wanja Majesejews. Die Regierung verbot die Verbreitung seiner Geschichte und drohte mit einer 3-jährigen Gefängnisstrafe für jeden, der sie schriftlich verbreitete. Viele Jugendliche widersetzen sich damals den Anweisungen des Militärs mit den Worten: „Wir werden eher sterben, genau wie Wanja Majesejew!“
Da ich den Schwur nicht ablegen wollte, kam es wie erwartet zu Diskussionen und Schimpftiraden. Als es so weit war, dass jeder dem Alphabet nach vortreten sollte, um die Fahne zu küssen und den Schwur abzulegen, betete ich innerlich. Nachdem auch ich aufgerufen wurde, trat ich 6 Schritte vor zur Fahne, drehte mich um und sagte dann laut: „Aufgrund meines Glaubens werde ich den Schwur nicht ablegen.“ Sofort wurde ich wieder beschimpft: „Solche wie du waren in der Kriegszeit Verräter!“ Doch Gott führte es so, dass ein Sampolit (politischer Offizier der Sonderabteilung) für mich eintrat und den Offizier sogar aufforderte, sich bei mir zu entschuldigen. Dann entließ er die Menge. Viele Kameraden begegneten mir mit Feindseligkeit und wünschten mir öffentlich den Tod. Vonseiten der muslimischen Aserbaidschanen bekam ich jedoch Respekt gezollt. Sie ermutigten mich, meinem Gott treu zu bleiben.
In einem anderen Verhör kam ein oberster Offizier während des Gesprächs mit mir so in Rage, dass er vor Wut zitterte. Seine Frau, die das Gespräch protokollierte, kam zu dem aufgebrachten Mann, legte ihm die Hand auf die Schulter und fragte: „Was ist los mit dir? Schau dir doch den Jungen an. Er ist vollkommen ruhig. Ich habe dich schon mit höheren Offizieren reden hören, die vor dir gezittert haben, du bist immer ruhig geblieben. Und jetzt zitterst du vor so einem einfachen jungen Soldaten?“ Diese Worte besänftigten ihn und brachten ihn auf andere Gedanken. Gott wirkte in diesem Verhör durch seine Frau. Ich erzähle das zur Ehre Gottes! Nur durch Seine Stärkung im Gebet konnte ich diese innerliche Ruhe bewahren.
So hielt Gott während der ganzen Zeit des Militärs schützend Seine Hand über mich und ich durfte auch später in meinem Leben viel Gnade erfahren.
Bearbeitet von Tina Pazer
(Gemeinde Speyer) nach einem Interview mit Bruder Paul Moser
Die Fortsetzung des Lebensberichts von Bruder Paul Moser folgt in der nächsten Ausgabe.