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Manchmal geschieht es, dass wir unseren innersten Zustand nach außen besser darstellen, als wir gerade empfinden. Die einst verfolgten Juden fragten einander nicht: „Wie geht es dir?“, sondern begrüßten sich mit der Frage: „Wie ist dein Gebet?“ Denn darin zeigt sich der geistliche Zustand und zugleich das Wohlergehen des Gläubigen.
Der äußere Anschein, den wir unseren Mitmenschen gegenüber vorgeben, ist nicht selten trügerisch und verbirgt, was im Inneren wirklich vorgeht. So war es auch bei der vornehmen Frau aus Schunem. Sie hatte soeben einen schlimmen Verlust erlitten. Doch sie verbarg ihren Schmerz nach außen. Als der Knecht Elisas sie fragte, ob es ihr, ihrem Mann und ihrem Sohn gut gehe, bejahte sie dies (vgl. 2.Kön 4,26).
So ist es auch bei uns heute. Wir begegnen einander, erkunden uns nach dem Wohlergehen und häufig fällt die Antwort ähnlich aus wie bei der Schunamitin. „Ja, Gott sei Dank!“, hört man dann, obwohl wir bei aller gebotenen Dankbarkeit eigentlich etwas ganz anderes empfinden oder durchleben.
Wir befinden uns im Tal der Tränen, erleben gerade eine Niederlage im geistlichen Kampf oder leiden Trübsale im Glaubensleben. Unser wahres inneres Befinden vermag nur der Gegenstand unseres Gebets aufzuzeigen und offenzulegen.
Die Bedeutung des Gebets wird in der Menschheitsgeschichte schon sehr früh sichtbar – fast unmittelbar nach dem Sündenfall. Die Heilige Schrift gibt einen entscheidenden Einblick, unter welchen Umständen sich die Menschen nach dem Verlust des Paradieses wieder Gott zuwandten.
Im ersten Buch Mose lesen wir: „Und auch dem Seth wurde ein Sohn geboren, den nannte er Enosch. Damals fing man an, den Namen des HERRN anzurufen“ (1.Mo 4,26). Die Erkenntnis ihres Zustandes und das Bewusstsein der Abhängigkeit von Gott, dem Schöpfer, führten die Menschen zurück zu Ihm. Sie erkannten, dass Beistand, Veränderung und Hilfe allein vom Herrn kommen können – und suchten deshalb Seine Nähe. Aus einem inneren Antrieb heraus wandte sich das Geschöpf wieder seinem Schöpfer zu.
Die heutige Christenheit wartet auf die Offenbarung ihres Heilands Jesus Christus, der eines Tages plötzlich – in einem Augenblick – erscheinen und Seine Braut zu sich nehmen wird. Apostel Petrus sprach in seinen Briefen bereits über die Endzeit. Darin ermutigte er die Gläubigen zu einem bestimmten Verhalten in der Zeit des Wartens: „Es ist aber nahe gekommen das Ende aller Dinge. So seid nun besonnen und nüchtern zum Gebet“ (1.Petr 4,7).
Es gilt also, sich im Gebet zu wappnen. Das Leben in der letzten Epoche der letzten Zeit fordert umso mehr von uns, im ständigen Austausch mit unserem Herrn zu stehen und in großer Abhängigkeit von Ihm zu leben. Aus diesem Grund sollten wir uns durch einen heiligen Lebenswandel und Gottesfurcht auszeichnen.
Wenn schon in unserem natürlichen Leben Pflege in vielerlei Form notwendig ist und Zeit in Anspruch nimmt – wie viel mehr bedarf es einer fortwährenden Überprüfung unseres geistlichen Zustandes.
Das Suchen und Verweilen im Gebet ist für den Christen der Weg in eine vertiefte, stetig wachsende Beziehung zum Herrn.
Die stumpfe Axt
In unserer heutigen Zeit gibt es eine Vielzahl von Einflüssen, die uns vom Wesentlichen, nämlich vom rechten Gottesdienst, ablenken wollen. Besonders auf dem wirksamen Gebiet des Gebets stumpfen wir innerlich ab und wundern uns zuweilen über fehlende Kraft. Im Buch Prediger beschreibt der weise Salomo den Zusammenhang von Ursache und Wirkung sehr anschaulich: „Wenn eine Axt stumpf ist und man die Klingen nicht schleift, so muss man umso mehr Kraft anwenden; aber durch Weisheit kommt man zum Gelingen“ (Pred 10,10).
Mit einer stumpfen Axt zu arbeiten, kostet nicht nur erheblich mehr Mühe, sondern bringt auch geringeren Ertrag als mit einer frisch geschärften Klinge. Genauso verhält es sich mit dem Gebet: Ja, es erfordert Kraft. Aber um ein Feuer am Brennen zu halten, muss auch Holz zusammengetragen und nachgelegt werden. Oder wie Salomo sagte: „Wo kein Holz mehr ist, erlischt das Feuer“ (Spr 26,20a).
Das Wort Gottes zeigt uns in drei Schritten den Ausweg aus einem „stumpfen“ geistlichen Zustand. Der erste notwendige Schritt ist die Erkenntnis. Die Schrift sagt: „Die Furcht des HERRN ist der Anfang der Erkenntnis“ (Spr 1,7a). Wir müssen, gleich dem verlorenen Sohn, in uns gehen und unsere Schwäche, Schuld und Sünde eingestehen. Diese Selbsterkenntnis – als rechtschaffene Frucht der Buße und Hinwendung zu Gott – bildet den fruchtbaren Boden für Gottes Wirken an uns.
Aus der Vergebung, die wir vom Herrn empfangen, erwächst erst die echte Ehrfurcht vor Ihm, die Gottesfurcht: „Aber bei dir ist die Vergebung, damit man dich fürchte“ (Ps 130,4). Das ist der zweite Schritt. Diese aufs Neue erlangte Gottesfurcht ist der Beginn „echter“ Weisheit: „Der Weisheit Anfang ist die Furcht des HERRN“ (Spr 9,10a).
Das ist Schritt drei, in dem wir durch Weisheit die stumpf gewordene Axt schärfen. Die Axt bringt das geistliche Gelingen, um das Feuer des Heiligen Geistes in uns aufs Neue zu entfachen (vgl. Pred 10,10).
Bedeutung des Geistes
Das ist auch deshalb wichtig, weil wir durch die Schrift dazu aufgefordert sind, den Geist in uns nicht zu dämpfen und Seine Wirksamkeit nicht zu beinträchtigen (vgl. 1.Thess 5,19). Ältere Übersetzungen sprechen sogar davon, den Geist nicht „auszulöschen“. So wie Wasser üblicherweise dazu verwendet wird, ein Feuer an seiner weiteren Ausbreitung zu hindern, geschieht dies bei uns häufig auf dem geistlichen Gebiet.
Geistliche Feuerbrände – das durch den Heiligen Geist entfachte Gebet und Wirken – werden eingedämmt oder gar gelöscht. Anstatt das Feuer des Geistes (vgl. Apg 2,3) zu fördern, wird es kontrolliert und so die von Gott gewollte Ausbreitung und Entfaltung geistlichen Lebens behindert.
Durch mancherlei falsches Verhalten und durch zu fest vorbestimmte Abläufe im Gottesdienst drängen wir den Heiligen Geist zuweilen in die Rolle des Zuschauers, anstatt Ihm Seine zustehende leitende Funktion zu überlassen. Als geistgetaufte Christen sollten wir jedoch insbesondere im Hinblick auf das Gebet im Geist mit größter Sorgfalt darauf bedacht sein, die Einheit des geprüften Glaubens unserer Väter und den Geist der Gnade und des Gebets zu bewahren.
Warum ist das so wichtig? Weil es heutzutage so viele unterschiedliche Ansichten und Auslegungen zum Thema Gebet gibt. Und oft wird dabei an den verschiedensten „Einstellschrauben“ gedreht, um festzulegen, wie es angeblich richtig sein soll.
Die wahre Wirkung des Heiligen Geistes im Gebet kommt jedoch von oben und bewirkt eine tiefgehende und echte innere Veränderung durch die wirkende Gnade Gottes. Durch die enge Verbindung mit Ihm werden wir von Seiner Herrlichkeit überschattet, sodass sich Seine wahre Kraft in unserem Inneren offenbart.
Dadurch werden wir befähigt, Gott im Geist zu dienen, geduldig in Christi Lehre zu stehen und als Überwinder hervorzugehen. Wir erfahren die Nähe Gottes und es fließen Tränen der Buße oder Freude – nicht aus bloßer seelischer Rührung, sondern durch die Verbindung mit dem Vater im Himmel. Daraus entspringen Dank, Lobopfer und Ehre.
Eifern – aber zur rechten Zeit
Das vernachlässigte Gebet kann dazu führen, dass Möglichkeiten verpasst werden. Diese können dann auch durch nachträgliche Anstrengung aus eigener Kraft nicht mehr kompensiert werden. Ein gutes Beispiel dafür sehen wir im Garten Gethsemane. Jesus benötigte in einem bestimmten Moment die Unterstützung Seiner Jünger.
Er bat sie, mit Ihm zu wachen. Sie aber schliefen vor Müdigkeit ein. Die sonst willigen Jünger erkannten die Stunde des Gebets und der Fürbitte nicht. Jesus ermahnte sie daraufhin mit den Worten: „Wacht und betet, damit ihr nicht in Versuchung kommt! Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach“ (Mt 26,41). Dabei hatten die Jünger kurz zuvor noch selbstsicher bezeugt, wie willig der Geist in ihnen war (vgl. Mt 26,35).
Doch ihre Worte waren das Resultat aus Selbstsicherheit und Selbstüberschätzung. Plötzlich war die Situation des Kampfes da. Jetzt galt es, auf die Knie zu gehen und für Jesus einzustehen, sich „in den Riss“ zu stellen. Doch sie hatten noch nicht gelernt, wie hinderlich das Fleisch ist. Das innere Wollen des Geistes ist auch in uns häufig vorhanden, aber das Vollbringen gelingt nicht, weil das Fleisch schwach ist und dazu neigt nachzugeben.
Der Herr Jesus zeigt uns aber in eindrücklicher Weise, wozu ein inbrünstiges, demütiges und eindringliches Gebet mit lautem Rufen und unter Tränen im Stande ist – Er beugt sich dem Willen Seines Vaters, obwohl das Fleisch rebelliert. Das in Not gesprochene Gebet bewirkt Trost und Stärke des Herrn zur rechten Zeit.
Bei Petrus erwachte der unzeitige Eifer, nachdem der geistliche Kampf bereits vorüber war. Er sah, was vor Augen war. Sah die Soldaten kommen – und schlug einem Kriegsknecht das Ohr ab. Petrus erging es wie uns häufig. Er verwechselte Feld und Feind. Er eiferte, als der Eifer nicht mehr von Nöten war.
Falscher Eifer zur falschen Zeit kann Gott gewollte Wege zerstören. Das macht Jesus deutlich, als Er Petrus fragt: „Soll ich den Kelch nicht trinken, den mir der Vater gegeben hat?“ (Joh 18,11). Der Kampf wird nicht gegen Fleisch und Blut geführt, sondern gegen Mächte, Gewalten und böse Geister. Um Widerstand zu leisten und das Feld behaupten zu können, ist es geboten, in einen tiefen Gebetszustand zu kommen, damit die Stimme im Himmel erhört werden kann. Der Herr gebe uns geistliche Augen, um die Stunde des Gebets zu erkennen.
In der Zwiesprache mit Gott nimmt der Druck ab, die Angst schwindet und unser Herz kann aufatmen.
Biblische Weisung zum Gebet
Es gibt Momente im Leben, in denen wir mit Schwierigkeiten, Prüfungen oder scheinbar unlösbaren Fragen konfrontiert werden. In denen Zweifel und Zagen uns belasten und wir uns der Situation am liebsten entziehen würden. Der Apostel Jakobus gibt einen göttlichen Rat, den wir auch in solchen Situationen wunderbar anwenden können: „Leidet jemand von euch Unrecht? Er soll beten!“ (Jak 5,13).
Dieses biblische Wort ermutigt uns, in Zeiten der Bedrängnis und des Leidens Zuflucht im Gebet zu suchen. Dadurch weichen Unmut, Beleidigung, Bitterkeit und all das, was unser Herz beschwert. Indem wir unsere Sorgen, Unruhen und Klagen in die Zwiesprache mit Gott bringen, erfahren wir Erleichterung. Der Druck nimmt ab, die Angst schwindet und unser Herz kann aufatmen, weil es Gottes Gegenwart und Führung wahrnimmt.
Manchmal kommen Schwierigkeiten in unser Leben, damit unser Glaube durch sie auf die Probe gestellt wird. Vergleichbar mit einer Waage, auf der wir gewogen werden. Diese Prüfungen haben keinen reinen Selbstzweck – sie dienen dazu, den Glauben zu läutern und zu festigen. Die Bibel gibt uns eine klare Anweisung, wie wir in solchen Situationen handeln sollen.
Das Gebet ist dabei nicht nur eine Quelle der Hoffnung und des Trostes, sondern auch der Stärkung. Dies zeigt sich eindrucksvoll am Beispiel unseres HERRN Jesus Christus, der im Garten Gethsemane betete. Er unterwarf sich dem Willen Seines Vaters, woraufhin Ihm ein Engel gesandt wurde, der Ihn stärkte. Seine Lage wurde nicht unmittelbar verändert oder der Weg erleichtert, doch Er erhielt die Kraft, das göttliche Werk zu vollenden.
Wenn in unserem täglichen Leben oder gar im Gottesdienst aufgrund von Zeitmangel an einer Stelle etwas gekürzt werden muss, fällt die Wahl häufig auf das Gebet. Auch wenn das allein schon eine schlechte Entscheidung ist, liegt darin auch eine weitere Gefahr. Denn wenn wir nicht wachsam sind, kann unser innerer Drang und der Antrieb zum Gebet allmählich nachlassen.
Unser Gebet wird zunehmend zu einer bloßen Form und wir verlieren an Tiefe, wodurch es uns schwerfällt, in den „Strom des Gebets“ zu gelangen. Dies wird wiederum zu geistlichen Niederlagen führen, da wir ohne ein lebendiges Gebetsleben kaum die Kraft haben, gegen schlechte Gewohnheiten, bestimmte Sünden oder bösartige Einwirkungen anzukämpfen und geistlich voranzukommen. Wir unterschätzen die Bedeutung des Gebets.
Wir sehen es als notwendige Formalie an und denken, dass wir es doch sowieso zwangsläufig im täglichen Leben praktizieren. Sei es als Tischgebet, der Andacht oder im Gottesdienst. Wir verlieren das Bewusstsein für die Tragweite des Gebetslebens und reduzieren es auf das Minimum. Diese Nachlässigkeit ist oft die Ursache einer schleichenden geistlichen Ermattung, die uns lähmen kann. Wir wollen uns darum nicht nur bis zum Knöchel oder bis zu den Lenden in den “Strom des Gebets” führen lassen, sondern uns ganz hingeben, um darin zu schwimmen (vgl. Hes 47,3-5).
Das Suchen und Verweilen im Gebet ist für den Christen der Weg in eine vertiefte, stetig wachsende Beziehung zum Herrn. Die echte Gegenwart Gottes und das Ausgießen Seines Geistes verwandelt uns in das Bild Seines lieben Sohnes. Der Einfluss Seiner Präsenz und Herrlichkeit bewirken in uns echte Nachfolge in der Liebe.

Lasst uns Gottes Wort und Gebet als höchste Priorität und tragende Säulen in unserem Leben fest halten und minderwertigen Dingen nicht gestatten ihren Platz einzunehmen. Bildquelle: Firefly
Säulen des christlichen Lebens
Der von Salomo erbaute Tempel war an der Eingangsseite mit zwei Säulen versehen. Sie trugen die Namen Jachin („Ich werde aufrichten“) und Boas („In ihm ist Stärke“). Die Bedeutung dieser beeindruckenden Säulen können wir auf unser Leben als Christen übertragen.
Wenn das Wort Gottes und das Gebet im Mittelpunkt unseres Glaubenslebens stehen, wird Christus in uns gegenwärtig sein und aus uns werden Ströme lebendigen Wassers fließen. Nicht von ungefähr heißt es: „Wisst ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid, und dass der Geist Gottes in euch wohnt?“ (1.Kor 3,16). Diese Zusage stärkt unseren Glauben und schenkt uns Hoffnung.
Aus Daniels Leben können wir lernen, dass seine beiden Säulen feststanden, selbst als sich die äußeren Umstände verschlechterten. Wie können wir eine solche Beständigkeit erlangen? Ein Blick auf Daniels Herzenshaltung gibt Aufschluss. Schon als Jüngling in der Fremde entschied er sich, keine Kompromisse einzugehen. Er ernährte sich nur von Gemüse und Wasser, anstatt die königlichen Speisen anzunehmen.
Diese Glaubensentscheidung stärkte nicht nur seinen Leib, sondern der Herr gab ihm dadurch einen außergewöhnlichen Geist voller Weisheit und Verständnis. Gute Gewohnheiten entstehen durch immer wiederkehrende bewusste Entscheidungen für das Richtige. Durch schlechte Entscheidungen, z. B. hinsichtlich eines falschen Umgangs mit Medien oder unserer Zeiteinteilung schleichen sich schlechte Gewohnheiten ein. Wir verlieren die klare Sicht und unsere geistliche Orientierung.
Daniel beschäftigte sich intensiv und regelmäßig mit Gottes Gesetz. Das war die Grundlage für seine Beständigkeit im Gebet. Wir merken in der Regel selbst, wenn Gottes Wort und Gebet in unserem Leben an Priorität verlieren und sich andere Dinge in unser Leben einschleichen. Lasst uns daher diese beiden tragenden Säulen des christlichen Lebens fest umschließen und uns auf sie stützen.
Das Gebet des Gerechten ist ein Leben, das sich nach Gottes Willen ausrichtet.
Ernstlich und ohne Unterlass
Ein wahrhaft gläubiger Christ ist nicht allein daran zu erkennen, dass er viele Bibelverse auswendig weiß oder eine äußere Frömmigkeit zeigt. Der Apostel Jakobus hebt einen viel tieferen Punkt hervor: „Das Gebet eines Gerechten vermag viel, wenn es ernstlich ist“ (Jak 5,16).
Ein ernsthaftes Gebet entspringt einem Herzen, das über Gottes Wege nachsinnt und geistlich beurteilt. Das Gebet des Gerechten ist nicht nur bloßes Aussprechen von Worten, sondern ein Leben, das sich nach Gottes Willen ausrichtet. Elia wird uns hier als Vorbild genannt. Er war kein außergewöhnlicher Übermensch, sondern ein Mensch „von gleicher Art wie wir“ (vgl. Jak 5,17). Doch er wandelte auf Gottes Wegen, erkannte die Abkehr des Volkes und betete entsprechend dem Willen Gottes. Sein Gebet entsprang geistlicher Einsicht. Er verstand, dass der geistliche Zustand Israels ernst war und betete, dass der Himmel sich verschließen möge. Nicht aus Willkür oder eigenem Ansinnen, sondern in Übereinstimmung mit Gottes Absicht. Das Ziel dieser Dürre war nicht Bestrafung, sondern die Umkehr des Volkes zu Gott.
Hier sehen wir das Geheimnis eines wirksamen Gebets. Ein gerechter Mensch lebt mit Gott, erkennt durch den Heiligen Geist seinen geistlichen Zustand und den seiner Umgebung und betet nach dem Willen Gottes. Solch ein Gebet hat Kraft! Nicht weil der Beter besonders begabt ist, sondern weil er mit Gott wandelt.
Ein weiteres besonderes Merkmal des Gebets wird in der Geschichte vom Hauptmann Kornelius in der Apostelgeschichte deutlich: „Und betete ohne Unterlass zu Gott“ (Apg 10,2). Was waren seine Beweggründe? Als Heide lebte er nicht nur in Israel, er sehnte sich auch nach der geistigen Verbundenheit.
Es ist denkbar, dass er in den alten jüdischen Schriften über Gottes Plan mit Seinem Volk gelesen hatte und die prophetischen Ankündigungen in ihm einen lebendigen Glauben entfachten. Die Botschaft der Rettung für die Heiden weckte in ihm eine tiefe Sehnsucht. Dies veranlasste ihn, Gott intensiv zu suchen. Das Verlangen, Teilhaber von Gottes Plan zu sein, führte ihn in eine beständige Gebetshaltung.
Der Atem des Geistes
Das Atmen ist ein natürlicher und lebensnotwendiger Vorgang, der ohne bewusste Anstrengung geschieht. Ebenso ist das Gebet ein wichtiger Bestandteil des christlichen Lebens. Nicht nur als Theorie, sondern als lebendige Praxis. Das Wissen um das Gebet allein genügt nicht. Erst das aktive Gebet bringt geistliches Fortschreiten und Geistesgaben hervor.
Aus betenden Christen entstehen betende Gemeinden, in denen sich Gottes Gaben entfalten. Diese Gaben sind von unschätzbarem Wert für die Braut Christi, um sich in einer Zeit voller Versuchungen unbefleckt und standhaft zu bewahren.
So wie das Anhalten des Atems schnell zur Erschöpfung führt, so schwächt auch ein Leben ohne ein erfülltes Gebetsleben den Glauben. Ohne regelmäßiges Gebet schleichen sich Nachlässigkeit und geistliche Trägheit ein. Wir beginnen damit, Gottes Gebote zu lockern und empfinden sie als Last, weil uns die Kraft fehlt, in der engen und heiligen Nachfolge Jesu zu bleiben. Doch wer das Gebet pflegt, bleibt geistlich wach, gestärkt und geführt.
Im Kolosserbrief treffen wir auf einen bemerkenswerten Knecht Christi, für den das Gebet buchstäblich der Atem des Geistes war: „Es grüßt euch Epaphras, der einer der Euren ist, ein Knecht des Christus, der allezeit in den Gebeten für euch kämpft, damit ihr fest steht, vollkommen und zur Fülle gebracht in allem, was der Wille Gottes ist“ (Kol 4,12). Epaphras war kein Gelegenheitsbeter, sondern er tat es allezeit, das bedeutet ständig und ausdauernd. Sein Harren auf den Knien zeigt, wie intensiv er in diesem Ringen war. Er hatte die Not der Gläubigen vor Augen und sah ihre Mängel und Defizite.
Es gibt heute viele Problemaufzeiger, aber wenige Problemlöser. Epaphras wirkte dem entgegen und stellte sich für seine Glaubensgeschwister „in den Riss“. Er betete nicht um Wohlstand, sondern um geistliches Wohlergehen. Sein Gebet war nicht oberflächlich, sondern umfassend und tief.
Standhaft: Epaphras bat Gott darum, dass die Gemeinde im Glauben feststehen sollte und nicht durch Versuchungen oder Irrlehren fortgerissen würde. Er erkannte auch die Gefahr des geistlichen Hochmuts. Deshalb bat er, dass die Kolosser wachsam bleiben und den festen Stand in Christus nicht verlieren.
Vollkommen: Er rang auch darum, dass die Gläubigen zur vollen geistlichen Reife gelangen. Dass sie in der Einheit des Glaubens und der Erkenntnis des Sohnes Gottes zur vollkommenen Mannesreife heranwachsen. Ihr Leben sollte von geübten Sinnen geprägt sein, Gut und Böse zu unterscheiden, sowie von einem reifen Urteilsvermögen im Umgang mit geistlichen Herausforderungen.
Erfüllt: Schließlich betete er darum, dass die Kolosser völlig erfüllt und überzeugt im Willen Gottes stehen. Dass sie tief in Seinem Wort verwurzelt sind, nicht nur Hörer, sondern Täter des Wortes werden. Dies zeigt sich im Leben in Heiligung, Dienen in der Liebe und Wandeln in der Demut (vgl. Kol 3,12).
Wer das Gebet pflegt, bleibt geistlich wach, gestärkt und geführt.
Herr, lehre uns beten
„Du aber, wenn du betest, geh in dein Kämmerlein und schließe deine Türe zu und bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist; und dein Vater, der ins Verborgene sieht, wird es dir öffentlich vergelten” (Mt 6,6). Das Gebot und die Anleitung Jesu verdeutlichen, dass für richtiges Gebet bestimmte Rahmenbedingungen erfüllt sein sollen.
Die geschlossene Tür verweist unter anderem darauf, dass wir uns bewusst von äußeren Einflüssen trennen müssen, um in die gottgewollte Zurückgezogenheit zu gehen. Gott, der im Verborgenen ist und auf das Verborgene achtet, wird es öffentlich belohnen. Wir erinnern uns an Apostel Petrus, wie er für sich allein auf dem Dach betete. In der Folge wirkte der Herr im Haus des Kornelius und offenbarte sichtbar die Fülle Seiner Gnade.
Prediger empfangen die Salbung Gottes nicht allein durch das Studium Seines Wortes. Das Wort und die wahre Speise für Gottes Volk wird auf Knien im Kämmerlein empfangen. Hannah betete leise in ihrem Herzen. Nur ihre Lippen bewegten sich, ohne dass ihre Stimme zu hören war. Im Gegensatz dazu wurde Elisabeth mit dem Heiligen Geist erfüllt und rief laut. Diese Beispiele zeigen, dass Gott sowohl das stille als auch das laute Gebet erhört und gebraucht. Der Herr sucht Anbeter, die Ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten.
Möge der Herr den Geist des Gebets über uns ausgießen, damit wir lernen, uns in den Strom Seiner Gnade zu begeben. Lasst uns Ihn anbeten, in Übereinstimmung mit der Wahrheit Gottes und geführt durch den Heiligen Geist!
Thomas Koch
Gemeinde Bremerhaven