Dienst und Umgang mit Feinden

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Dienst und Umgang mit Feinden

2023-10-02T17:51:14+02:0030. September 2023|

Wenn Sie sich dafür entscheiden, einen Feind haben zu wollen, dann wählen Sie einen guten, denn Feinde sind ein aufwendiger Luxus. Ein unbekannter Schlaukopf hat es so gesagt: »Falls du einen Groll nährst, rechne mit einigen saftigen Arztrechnungen!« Leider zahlen Sie das meiste davon schon dann auf Raten, wenn Ihr Groll Ihnen allmählich Frieden und Kraft raubt und Sie ins Unglück stürzt.

 

Sie können es nicht immer verhindern, einen Feind zu haben, aber Sie können es verhindern, dass Sie ein Feind sind. Jedes Mal, wenn ich Psalm 18 lese, beeindruckt mich, wie im einleitenden Vers Saul von den Feinden Davids getrennt wird. Saul betrachtete David als Feind, aber David nahm Saul gegenüber eine andere Haltung ein. David konnte Saul nicht von den Torheiten abhalten, die dieser tat, aber er hatte seine Reaktion darauf unter Kontrolle. Wenn Sie einen Feind haben, der heftig an Ihrem Herzen nagt, kommt das sicher daher, dass Sie es sich so ausgesucht haben. Sie sind nicht verantwortlich dafür, wie andere mit Ihnen umgehen, wohl aber dafür, wie Sie reagieren. Wie sehr Ihr Ego auch befriedigt wird, wenn Sie heimlich über Ihren Feind nachsinnen, es ist das Zerren und Reißen an Ihrer Seele nicht wert.

 

Ich habe herausgefunden, dass meine erste Reaktion das Gebet sein muss. Vielleicht brauchen die Leute, die mir den Krieg erklärt haben, meine Gebete nicht, aber ich brauche es, dass ich für sie bete. Jesus lehrte uns, unsere Feinde zu lieben, sie zu segnen, ihnen Gutes zu tun und für sie zu beten (vgl. Mt 5,44; Lk 6,27-28). Das ist ein großartig sicheres Mittel, um das Herz zu bewahren, das in Gefahr steht, vom Groll vergiftet zu werden.

»In Ordnung!«, sagen Sie vielleicht, »ich werde beten, aber ich werde ein inspiriertes Gebet aus den Psalmen nehmen!« Und dann suchen Sie sich einen Rachepsalm aus. Sie machen sich eins mit den Söhnen des Donners (vgl. Mk 3,17; Lk 9,51‑56) und rufen Feuer und Schwefel vom Himmel auf die Köpfe Ihrer Feinde herab.

Aber genau das ist nicht das Gebet, über das Jesus in der Bergpredigt sprach. Wir müssen zuerst und vor allem für uns selbst bitten, dass wir nicht verbittern und anfangen, uns zu rächen. Das ist die schwierigste Aufgabe. Das Übrige ist viel einfacher. Dann können wir nämlich in der biblisch vorgeschriebenen Weise für unsere Feinde vor Gott eintreten und Ihn bitten, Er möge sie mit der Erkenntnis Seines Wortes segnen, damit sie ihre eigene Not erkennen und sich an Ihn um Hilfe wenden. Wir können um Möglichkeiten bitten, ihnen Gutes tun und eine christusähnliche Gesinnung zeigen zu können. Auch sollten wir darum bitten, dass wir nichts tun, was sie vor anderen herabsetzt, stattdessen darum, Gutes von ihnen zu reden oder gegebenenfalls schweigen zu können. »Denn die Vögel des Himmels tragen den Laut davon, und ein geflügelter Bote verkündet das Wort« (Pred 10,20).

 

Sie dürfen nicht vergessen, warum der Teufel Ihnen einen Feind wünscht: Wenn Sie auf Ihren Feind in falscher Weise reagieren, kann der Teufel in Ihrem Leben Fuß fassen. Paulus’ Warnung, dem Teufel keinen Raum zu geben (vgl. Eph 4,27), wird von zusätzlichen Warnungen vor Sünden umrahmt, die dem Teufel helfen, bei uns einen »Brückenkopf« zu errichten: Lügen, ungerechter Zorn, verdorbene Rede, Bosheit und ein nicht zur Vergebung bereiter Geist, um nur einige zu nennen. Solange diese Feinde draußen sind, sind Sie sicher. Doch lassen Sie all das in sich hineinkommen, geraten Sie in große Schwierigkeiten.

Wenn der Teufel sieht, dass Ihr Feind in Ihrem Herzen nicht Fuß fassen kann, wird er gewöhnlich eins von zwei Dingen tun: Entweder bläst er die ganze Sache ab (In einem solchen Fall können Sie sich fröhlich mit Ihrem Feind versöhnen) oder er wird den Druck erhöhen und versuchen, die Sache auf die Spitze zu treiben und Sie bis zur Grenze Ihrer Belastbarkeit zu bringen. Wenn das geschieht, sollten Sie daran denken, dass unser Kampf nicht gegen Fleisch und Blut (das ist der jeweilige Feind), sondern gegen unsichtbare satanische Mächte geführt wird, die »Fleisch und Blut« nur benutzen, um ihre Ziele zu erreichen (vgl. Eph 6,12). Passen Sie auf, dass Sie die ganze Waffenrüstung Gottes im Glauben Tag für Tag anlegen und die Waffen benutzen, die Gott für Sie vorbereitet hat.

 

Wenn wir in der rechten Weise beten, werden wir von unserem Herzen her befähigt, unseren Feinden zu vergeben, selbst wenn dies nur der erste Schritt ist und ein persönliches Gespräch mit dem Betreffenden noch folgt. Wir können dann Gott bitten, die schmerzlichen Erinnerungen zu verjagen, damit sie nicht explodieren und großen Schaden anrichten. An diesem Punkt fällt mir eine Geschichte über den heimgegangenen Dr. William Sangster ein, einen der wirkungsvollsten Methodistenprediger Englands.

Er adressierte Weihnachtskarten, und ein Hausgast war geschockt, als er auf einem Umschlag die Anschrift eines Mannes las, der achtzehn Monate zuvor Dr. Sangster heftig attackiert hatte. »Dem kannst du doch unmöglich einen Gruß schicken«, sagte der Mann. »Warum nicht?«, fragte Sangster. »Aber bedenke doch«, begann der Gast, »vor achtzehn Monaten …«

Sangster rief sich die Tat dieses Menschen ins Gedächtnis zurück, aber er erinnerte sich auch an die Zeit, in der er sich entschlossen hatte, diese aus dem Gedächtnis zu verbannen. »Diese Sache gehört zu den Dingen, die ich – soweit ich mich erinnere – vergessen habe«, sagte er. Und er handelte entsprechend.

 

Wenn Christen etwas vergessen, bedeutet das nicht, sie hätten es einfach nicht mehr in ihrem Kopf, denn das ist manchmal äußerst schwierig. Die biblische Bedeutung von vergessen (vgl. Hebr 10,17) ist diese: Man hält die Sache jemandem nicht mehr vor, damit die Beziehung nicht länger belastet wird. Weil Gott allwissend ist, kann Gott nichts vergessen, aber Er hat sich entschlossen, uns unsere Sünden nicht wieder vorzuhalten. Er erinnert Sich Seines Vergessens.

Manchmal sind persönliche Differenzen nie gänzlich erledigt, und wir müssen damit leben, bis Gott Sich entschließt einzugreifen. David hatte Anklagen und Angriffe von Sauls Seite zu erdulden, bis Gott Saul auf dem Schlachtfeld das Leben nahm. Aber nicht einmal zu diesem Zeitpunkt jubelte David über den Tod des Königs. Stattdessen leitete er das Volk zu einem Klagelied über Saul und Jonathan an.

 

Die Seiten christlicher Biografien sind befleckt von den Tränen derjenigen, die als Führerpersönlichkeiten im Werk des Herrn aus verschiedenen Gründen zu Unrecht von Leuten angegriffen wurden, die ihre Freunde und nicht ihre Feinde hätten sein sollen. Viele »namenlose« christliche Arbeiter in Gemeinden und in anderen Diensten rings um die Welt haben in gleicher Weise gelitten. Es ist schlimm genug, von den Menschen dieser Welt geschmäht zu werden, aber wenn Kinder Gottes das »aus christlicher Liebe« tun, sind die Wunden noch schmerzlicher.

»Bei meiner ersten Verteidigung stand mir niemand bei«, schrieb Paulus, der Gefangene, an Timotheus, »sondern alle verließen mich; es werde ihnen nicht angerechnet!« (2.Tim 4,16).

Und Jesus betete am Kreuz: »Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!« (Lk 23,34).

 

In seinem Buch The Conduct of Life zitiert Ralph Waldo Emerson die Zeilen eines Dichters aus dem 7. Jahrhundert:

Von tausend guten Freunden
man keinen treffen mag,
doch wer nur einen Feind hat,
der trifft ihn jeden Tag.

 

Erinnern Sie sich des Vergessens!

 

Warren W. Wiersbe (1929 – 2019)

Aus „Im Dienst des besten Herrn“, CLV