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Wir berichten in diesem Interview über Bruder Waldemar Brauer aus der Gemeinde Bremen-Sottrum. Er trug maßgeblich dazu bei, den Bezirksverband in Bremen aufzubauen, als unser Missionswerk noch in den Kinderschuhen steckte. Welche Hindernisse, aber auch welchen Segen er dabei durchlebte, lesen wir in diesem Bericht.
Du warst einer der ersten Verantwortlichen des Bezirksverbandes in Bremen. Wie ist es dazu gekommen, dass zusätzlich zum Bundeszentralverband auch noch die Bezirksverbände gegründet wurden?
Man sah die Notwendigkeit, einen weiteren Bezirksverband zu gründen, weil ein großer Teil der Spenden aus dem Norden Deutschlands kam. Es war sehr umständlich und aufwändig, die Hilfsgüter mit den Lastkraftwagen aus dem Norden nach Speyer zu transportieren und anschließend an die Orte zu bringen, wo sie gebraucht wurden. Man begann mit den Planungen und nach einigen Überlegungen und Gesprächen wurden sie schließlich umgesetzt.
Zunächst gab es hier in Bremen nur ein Lager, welches weiterhin von Speyer aus verwaltet wurde. Die Entwicklung hielt jedoch weiterhin an. Dieser Prozess dauerte fast 10 Jahre, bis es 2003 schließlich so weit war. Ich wurde daraufhin von den Brüdern eingesegnet, diesen Bezirksverband zu leiten.
Wie kam es dazu, dass dir diese verantwortungsvolle Aufgabe übertragen wurde?
Die Brüder suchten nach jemandem, der die Arbeit in Bremen verwalten konnte, und kamen eines Tages auf mich zu. Damals war ich noch Jugendleiter und habe zunächst abgelehnt. Aus meiner Sicht gab es jüngere und besser geeignete Brüder, die diesen Dienst ausführen konnten. Die Brüder ließen jedoch nicht locker. Sie sagten mir, dass leider niemand bereit sei, die Aufgabe zu übernehmen.
Ich wollte mich nicht dem Willen des Herrn widersetzen und habe deshalb eingewilligt. Ich nahm daraufhin ein Jahr unbezahlten Urlaub von meiner Arbeit, um mich voll und ganz auf die Missionsarbeit zu konzentrieren. Wir hatten sehr viele Hilfsgüter und kamen kaum hinterher, diese in die Ukraine und andere Länder zu transportieren.
Du warst nicht nur Leiter des Bezirksverbandes, sondern auch gleichzeitig Lkw-Fahrer. Wie konntest du all das bewältigen?
Es war nicht einfach. Wir mussten viele Telefonate führen, um Lebensmittel usw. von einigen Firmen zu bekommen. Ich habe wenig Zeit zu Hause verbracht. Wenn ich auf Reisen war, kam ich oft mehrere Tage nicht nach Hause und wenn ich im Bezirksverband war, arbeitete ich oft bis spät abends. Besonders die Büroarbeit war sehr umfangreich.
Gleichzeitig gab es auch Not in unserer Gemeinde in Bremen. Der Gemeindevorstand beschloss daraufhin, Bruder Roman Eggert freizustellen, um ihn mit den bürokratischen Angelegenheiten zu betrauen. Außerdem sollte er mich bei den Missionstätigkeiten unterstützen. Ich erhielt dadurch eine große Hilfe. Auf diese Weise hatte ich die Möglichkeit, mich mehr auf die Transporte der Hilfsgüter zu konzentrieren.
Nun konntest du dich mehr auf die Fahrten ins Ausland konzentrieren. Dort hast du bestimmt viel Armut gesehen. Lohnt es sich überhaupt, die Hilfsgüter mit dem Lkw dorthin zu transportieren oder wäre eine andere Art von Hilfe effektiver?
Diese Frage wird immer wieder gestellt. Es lohnt sich auf jeden Fall mit dem Lkw zu fahren. Letztens fragten mich einige Brüder mit einem Schmunzeln: „Wie viel Geld hat der Lkw eigentlich gekostet?“ Ich sagte ihnen: „3 Fische!“ Sie guckten einander an und fragten: „Wie meinst du das?“ Ich erwiderte: „Ganz einfach, wir hatten vor kurzem drei Transporte von Fischfilet. Jede Ladung hatte ca. 18 Tonnen, jetzt könnt ihr hochrechnen, wie viel ein Kilo Fischfilet kostet. Der Lkw hat sich bereits nach diesen drei Fahrten abbezahlt.“
Wie lange dauert so eine Lkw-Fahrt? Wie mühsam waren die Grenzübergänge? Wie seid ihr damit umgegangen?
Es ist unterschiedlich. Die Grenzübergänge nahmen besonders am Anfang sehr viel Zeit in Anspruch. Es gab viele Grenzen mit sehr langen Warteschlangen. Wir versuchten, uns bei der örtlichen Polizei als Transport für humanitäre Hilfe anzumelden, um schneller voranzukommen. Im Laufe der Zeit begannen die jeweiligen Länder jedoch an den Grenzen separate Spuren für Transporte von beispielsweise lebenden Tieren oder leicht verderblichen Lebensmitteln einzurichten. Diese Spuren konnten wir meistens nutzen, somit wurde uns mit der Zeit ein einfacherer Übergang ermöglicht.
Die Zollbeamten gingen unterschiedlich mit uns um; zum Beispiel bedankte sich ein ukrainischer Beamter einmal bei uns und sagte: „Ich danke Gott dafür, dass es noch solche Leute gibt, denen das Leid anderer nicht egal ist.“ Ein anderes Mal wurden wir jedoch beschuldigt, uns durch diese Aktionen zu bereichern und persönlich davon zu profitieren. Es gab viele Momente, in denen es wirklich schwer war, aber wir haben immer wieder Gottes Segen darin gesehen.
Es gibt jedoch auch Gefahren bei solchen Fahrten. Hast du gefährliche Situationen erlebt, bei denen du deutlich Gottes Führung und Schutz gesehen hast?
Dass es nie Probleme gab, kann ich nicht sagen. Wir hatten einige solcher Momente, in denen wir Gottes Hand klar und deutlich sahen. Ein konkretes Beispiel kann ich auch erzählen. Wir fuhren kurz vor einer Grenze mit dem Lkw an einer Gruppe von Männern vorbei, die direkt in ihre Autos stiegen und uns anhielten. Wir sprachen mit ihnen und sie teilten uns mit, dass wir bei ihnen bezahlen müssten.
Ich erklärte ihnen, dass wir davon nichts wussten, da wir nicht so häufig hier entlangfuhren. In diesem Moment schaute einer dieser Männer auf unsere Fahrertür und sah, dass wir vom CDH-Stephanus sind. Als sie das sahen, entschuldigten sie sich sofort für das Anhalten und ließen uns ohne Bezahlung weiterfahren.
Wir waren unter den Verbrechern auch sehr bekannt, weil wir auch oft in die Gefängnisse Hilfe lieferten. Deshalb denke ich, dass sie uns in Ruhe gelassen haben. Man hörte sonst von anderen Lkw-Fahrern immer wieder von Überfällen, bei denen auch die Fahrzeugführer verletzt wurden. Also sehen wir klar und deutlich, wie Gott uns beschützt hat.
Zu den Straßen muss man sagen, dass sie oft sehr glatt waren. Ein konkretes Beispiel: Ich war allein nach Kirgisien unterwegs und musste auf dem Rückweg wegen einer Straßensperrung eine alternative Route benutzen. Diese war wirklich sehr glatt. Ich schaute auf meiner Karte nach dem Weg und merkte, wie ich fast in den Graben geraten wäre.
Ich konnte es verhindern und hielt danach sofort an, um Gott für diesen Schutz zu danken. Außerdem regnete es sehr stark und mein Visum lief am nächsten Tag aus. Ich bat Gott, dass Er das Wetter änderte, damit ich weiterfahren konnte. Die Straße trocknete innerhalb von 2 Stunden ab und ich konnte weiterfahren. Durch solche Wunder, die ich immer wieder erlebte, kann ich wirklich sagen, dass es allein Gottes Gnade und Liebe ist, die uns getragen hat.
Wie war es für deine Familie? Deine Frau und deine Kinder haben bestimmt viel Sorge gehabt, sie müssen diese Last genauso tragen.
Bevor ich verheiratet war, betete ich zu Gott, dass Er mir eine Frau schenken möge, mit der ich eine Familie gründen kann. Ich vertraute darauf, dass Er mir die Richtige schicken würde, die das alles aushalten könnte. Eines Nachts hatte ich einen Traum, in dem ich das Elternhaus meiner jetzigen Frau sah, zusammen mit ihren Eltern und zwei ihrer Schwestern im Wohnzimmer.
Als es dann soweit war und ich in dieses Haus trat, um mich zu verloben, erschrak ich darüber. Jeder saß genau an demselben Platz wie im Traum, obwohl ich ihren Wohnort nicht kannte, bevor ich dort ankam. Für meine Frau war es natürlich nicht leicht, aber sie hat es durch Gottes Gnade geschafft, das alles mitzutragen.
Gott möge es deiner Frau vergelten und deine Familie segnen. Wir danken dir für dieses Gespräch und dass du deine Erfahrungen mit uns geteilt hast. Eine letzte Frage noch. Was kannst du den jüngeren Brüdern mitgeben, die auch in diesem oder einem ähnlichen Dienst stehen?
In den 90er Jahren hatte ich einmal einen Unfall, bei dem ich gegen die Windschutzscheibe prallte und bewusstlos wurde. Am Unfallort kam ich kurzzeitig wieder zu mir, aber als ich all das Blut sah, fiel ich sofort wieder in Ohnmacht. Ich wachte im Krankenhaus auf und hörte, wie um mich herum Polnisch gesprochen wurde. Ich verstand, dass ich im Krankenhaus war.
In meinen Gedanken begann ich mich zu fragen, warum Gott das zugelassen hatte. Wir arbeiten für Ihn und Gott lässt so etwas zu? Plötzlich hörte ich eine klare und deutliche Stimme, die mir sagte: „Die Murrenden werden nicht in das Himmelreich kommen.“ Ich schämte mich so sehr, dass ich solche Gedanken zugelassen hatte und bat Gott um Vergebung. Darum möchte ich den jungen Lkw-Fahrern mitgeben, dass sie diesen Dienst für und vor allem vor dem Herrn ausführen. Vertraut auf Gott und vergesst nicht, dass Gott es vollbringen wird.
Ein Interview mit Waldemar Brauer
Gemeinde Sottrum