Leer oder gefüllt?

  • Volle Genüge ist überreiche Fülle. Wer gefüllt ist, ist nicht leer! Bildquelle: istock_486066202 © rclassen-layouts

Leer oder gefüllt?

2020-12-12T10:31:19+01:004. Dezember 2020|

Eins steht fest: um genügsam sein zu können, muss genug vorhanden sein. Wenn wir nicht genug haben, können wir nicht genügsam sein. Doch wie können wir genug haben, wenn es scheinbar noch so viel gibt, was wir noch brauchen?

Jesus sagte: „Ich bin gekommen, damit sie Leben und volle Genüge haben“ (Joh 10,10b).

„Leben und volle Genüge!“ Eine wirklich starke Verheißung! Was meint der Herr damit? Von welchem Leben spricht er hier? Haben nicht alle Menschen Leben? Ein paar Verse weiter lesen wir die Antwort: „Ich gebe ihnen ewiges Leben, und sie werden in Ewigkeit nicht verloren gehen, und niemand wird sie aus meiner Hand reißen“ (Joh 10,28). Das Leben, welches Jesus geben möchte, ist ewiges Leben. Natürlich bedeutet es genau das, was es aussagt, nämlich, dass der Empfänger ewig, das heißt unaufhörlich, lebt.

Doch wenn wir die Bibel genauer studieren, merken wir, dass Jesus mehr damit meinte. Ein paar Kapitel weiter gibt Er nämlich eine genaue Definition vom ewigen Leben: „Das ist aber das ewige Leben, dass sie dich, den allein wahren Gott, und den du gesandt hast, Jesus Christus, erkennen“ (Joh 17,3).

 

Die tiefere Bedeutung vom ewigen Leben bedeutet also, Jesus Christus zu erkennen. Deshalb beginnt das ewige Leben schon hier auf der Erde und nicht erst nach dem physischen Tod. Denn: „Wer an den Sohn glaubt, der hat ewiges Leben“ (Joh 3,36). Der Glaubende hat ewiges Leben! Schon hier und jetzt ist es bereits sein Besitz!

Aber wenn es so ist, dass der Herr uns Leben und volle Genüge schenken möchte, warum haben wir dann oft nicht genug und leben dementsprechend nicht genügsam? Es scheint, dass Viele eine innere Leere verspüren. Ein Vakuum, das sie versuchen, mit weltlichen, aber manchmal auch scheinbar geistlichen Dingen zu füllen. Man lässt es sich gut gehen, genießt den Luxus, gönnt sich hier und da etwas. Von Genügsamkeit keine Spur. Ein anderer versucht, sich im geistlichen Bereich zu verausgaben und dient und tut und macht und ackert, aber auch hier findet er keine wirkliche Fülle. Wo liegt also dieser Friede, diese Genügsamkeit?

In der Fußnote der Schlachter-Übersetzung wird der Leitvers so erklärt: „Ich bin gekommen, damit sie Leben und überreiche Fülle haben.“

Volle Genüge wird hier mit überreicher Fülle übersetzt. Und hier liegt der Schwerpunkt. Jemand, der volle Genüge hat, hat auch überreiche Fülle. Er ist gefüllt und nicht leer. Er braucht nicht hierhin und dorthin zu fahren. Er hat es nicht nötig, dieses und jenes zu kaufen. Er muss sich nicht mit weltlichen Dingen oder unzähligen Diensten bei Laune halten. Nein, er ist gefüllt. Er hat überreiche Fülle!

Doch worin liegt diese Fülle? Wie gelange ich zu dieser Fülle? Schon Paulus war es wichtig, dass die neu gegründeten Gemeinden in der Fülle Gottes lebten. Deshalb beugte er seine Knie und betete, dass die Epheser die Liebe Christi erkennen mögen, die doch alle Erkenntnis übersteigt, damit sie erfüllt werden bis zur ganzen Fülle Gottes (vgl. Eph 3,14-19).

Paulus wusste, wie wichtig, ja grundlegend, es ist, die Liebe Christi zu erkennen. Er nennt sie die alles übertreffende Erkenntnis und er beschreibt, dass diese Erkenntnis Menschen bis zur ganzen Fülle Gottes erfüllt. Auch wenn es wichtig ist, dass wir Gottes Heiligkeit, Seine Gerechtigkeit betrachten und verinnerlichen; dass wir uns Seiner Allmacht, Unendlichkeit und Allwissenheit stets bewusst sind, ist es doch unmissverständlich so, dass es Seine Liebe ist, die uns bis zur ganzen Fülle Gottes erfüllt und erst fähig macht, heilig zu leben.

Interessant ist, dass Paulus diese Liebe „die Liebe des Christus“ nennt. Er nennt sie an dieser Stelle nicht „die Liebe Gottes“ oder „die Liebe des Vaters“. Die Liebe des Christus! Die Liebe des Retters! Die Liebe dessen, der sich selbst erniedrigt hat bis zum Tod am Kreuz (vgl. Phil 2,6-8). Die Liebe dessen, der, obwohl Er Gottes Sohn ist, doch Mensch wurde, um uns zu erretten.

Die Liebe des Christus erinnert uns sofort an das Evangelium. Das Evangelium offenbart diese Liebe des Christus. Und im Evangelium erkennen wir Jesus Christus. Das ist das Geheimnis des ewigen Lebens!

Die Liebe Christi bezeugt die persönliche Liebe Gottes zu jedem Einzelnen. Im Römerbrief erklärt uns Paulus, wie tiefgreifend und unglaublich die Liebe Christi ist: „Denn Christus ist, als wir noch kraftlos waren, zur bestimmten Zeit für Gottlose gestorben. Nun stirbt kaum jemand für einen Gerechten; für einen Wohltäter entschließt sich vielleicht jemand zu sterben. Gott aber beweist seine Liebe zu uns dadurch, dass Christus für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren“ (Röm 5,6-8).

Gott hat Seine Liebe bewiesen! Er, der Allmächtige, braucht niemandem etwas zu geben, geschweige denn zu beweisen. Und dennoch beweist Er, der das Weltall geschaffen hat und durch den alles existiert, uns elenden und verdorbenen Menschen, dass Er uns liebt. Ja, als wir noch kraftlos waren, als wir noch Sünder waren, liebte Er uns mit dieser unbegreiflichen Liebe so sehr, dass Er, der Heilige, als das makellose und unbefleckte Lamm für uns Gottlose starb! Er, der uns nicht braucht, hielt es doch für notwendig, ja, hielt uns für so wertvoll, dass Er uns mit Seinem eigenen Blut erkaufte.

Diese Verse sprechen von der bedingungslosen Liebe Gottes. Bevor wir überhaupt fähig waren, irgendetwas Gutes zu tun, liebte Er uns. Und als Er uns als Seine Kinder annahm, wusste Er schon, wie viel wir noch versagen und sündigen würden. Wie oft wir vor Ihm weglaufen würden. Wie lange es dauern würde, bis wir Ihm endlich unser ganzes Herz weihen. Und obwohl Gott das alles wusste, liebte Er uns!

 

Wir sprechen darüber, dass die Errettung uns nichts kostet und das ist auch wahr. Aber wie viel hat es Ihn gekostet! Sechs Stunden blutend und unter Todesqualen an diesem Kreuz zu hängen und von Seiner eigenen Schöpfung verspottet und verlacht zu werden! Jesaja beschreibt es wohl am besten, wenn er sagt: „Verachtet war er und verlassen von den Menschen, ein Mann der Schmerzen und mit Leiden vertraut; wie einer, vor dem man das Angesicht verbirgt, so verachtet war er, und wir achteten ihn nicht. Fürwahr, er hat unsere Krankheit getragen und unsere Schmerzen auf sich geladen; wir aber hielten ihn für bestraft, von Gott geschlagen und niedergebeugt. Doch er wurde um unserer Übertretungen willen durchbohrt, wegen unser Missetaten zerschlagen; die Strafe lag auf ihm, damit wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt worden“ (Jes 53,3-5).

„Jesus liebt dich!“ Ein Satz, den viele schon so oft gehört haben, dass er schon fast ohne Aussage bleibt. Aber darin liegt das Geheimnis der Fülle Gottes. Die persönliche Liebe Gottes zu erkennen, dass Er es für mich tat. Erkenntnis ist mehr als das bloße Wissen. Erkenntnis ist die innere Offenbarung der Wahrheit, die uns nur der Heilige Geist schenken kann und möchte.

Paulus, der große Apostel, was war sein Geheimnis? Woraus zog er seine Kraft? Warum war er so stark? Er hatte eine tiefe Überzeugung in sich: „Was ich aber jetzt im Fleisch lebe, dass lebe ich im Glauben an den Sohn Gottes, der mich geliebt und sich selbst für mich hingegeben hat“ (Gal 2,20b). Paulus nahm die Liebe Christi persönlich. „Der mich geliebt hat!“ Nicht nur die anderen, nicht nur alle Menschen, nein, der MICH geliebt hat! Er geht sogar so weit und bezieht das ganze Erlösungswerk auf sich persönlich: „Der sich selbst für mich hingegeben hat“. Paulus wusste: „Er tat es für MICH! Gott liebt MICH!“

„Jesus liebt dich! [...] Darin liegt das Geheimnis der Fülle Gottes.“

Johannes, der große Apostel, was war sein Geheimnis? Woraus zog er seine Kraft? Warum war er so stark? Er bezeichnet sich selbst immer als der Jünger, den Jesus liebte (vgl. Joh 13.23 etc.). Manche behaupten, deswegen sei er Jesu Lieblingsjünger. Doch das würde Gottes Wesen widersprechen, denn Er hat kein Ansehen der Person und behandelt alle gleich. Nein, was Johannes verstanden hatte, war ganz einfach die Tatsache, dass Jesus ihn, genau ihn, liebte. Das war so überwältigend für ihn, dass er sich selbst in seinem Evangelium so bezeichnete: „den Jünger, den Jesus liebte“.

Die Bibel erklärt uns das Evangelium. Es beschreibt, wie viel Aufwand Gott betrieb, um uns zu retten. Je mehr wir das Evangelium begreifen, desto tiefer werden wir Christus und Seine Liebe erkennen und diese überreiche Fülle empfangen.

„Im Evangelium erkennen wir Jesus Christus. Das ist das Geheimnis des ewigen Lebens!“

Lieber Leser, ich möchte dich dazu ermutigen, dass Evangelium erneut und selbstständig zu studieren. Lies die letzten Kapitel der Evangelien und denke über Jesus Leiden, Qualen und Sterben nach. Betrachte die ersten Kapitel des Römerbriefes, des Epheser-, des Kolosser- und Galaterbriefs und erkenne, dass die Erlösung vollkommen vollbracht ist: unsere Sünde, Schuld und Strafe, alles trug Er. Ja, es gibt Vergebung, Versöhnung, Heilung, Frieden, Heilsgewissheit, Freiheit von der Macht der Sünde und echtes Leben im Geist. Und dies alles auf der Grundlage des einfachen Evangeliums! Das ist der Weg zur ganzen Fülle Gottes! Das ist wahre Genügsamkeit! Jesus allein genügt!

Wenn dir das einfache Evangelium trotz des Lesens und Nachdenkens leer erscheint und Jesu Liebe dir nichts mehr bedeutet, dann geh von deinem Schreibtisch unter deinen Schreibtisch. Beuge deine Knie wie Paulus und bitte den Heiligen Geist, dir Christus neu zu verklären, damit du erkennst, was Jesus am Kreuz wirklich vollbracht hat. Warum Er so leiden und sterben musste! Und die Liebe Christi wird dich erfüllen bis zur ganzen Fülle Gottes.

„Gnade und Friede werde euch mehr und mehr zuteil in der Erkenntnis Gottes und unseres Herrn Jesus Christus“ (2.Petr 1,2).

 

Fabian Kebernik
Gemeinde Stapelage