Radikale Trennung von Sünde

/, Ausgabe 3 | 2023/Radikale Trennung von Sünde
  • Bildquelle: AdobeStock @ bnenin

Radikale Trennung von Sünde

2023-10-02T17:46:40+02:0030. September 2023|

Der Kern des Evangeliums ist das Reich Gottes. Die Anforderungen daran sind nicht gering. Jesus spricht in Markus 9,43‑48 vom Reich Gottes und davon, dass man die Hand und den Fuß abhacken und das Auge ausreißen soll, wenn sie zur Sünde verleiten. Aber ist das Reich Gottes wirklich so radikal, dass man sich einer asketischen Verstümmelung unterziehen muss? Wie ist diese Bibelstelle zu verstehen?

 

Gottes Anforderungen sind nicht gering!

In Markus 9 fordert Jesus Seine Jünger dazu auf, ihre Hand abzuhacken, wenn sie Anstoß zur Sünde gibt (vgl. V.43). Ebenso soll auch mit dem Fuß oder dem Auge verfahren werden, wenn sie zur Sünde verführen. Es sei besser, ohne sie in das Reich Gottes einzukehren als mit ihnen in die Hölle (vgl. V.44-47). Unmittelbar zuvor ruft Jesus zu einem weiteren Gericht auf, wenn man andere Gläubige zur Sünde verleitet (vgl. V.42). Weiterhin führt Jesus die Maßstäbe für wahre Größe und den Dienst im Reich Gottes auf und spricht von gegenseitiger Demut: „Wenn jemand der Erste sein will, so soll er der Letzte von allen und aller Diener sein“ (Mk 9,35).

Auch im nächsten Kapitel werden die Anforderungen nicht geringer und Jesus führt an, dass die göttlichen Absichten und Ordnungen einer Ehe nicht den Vorstellungen der Menschen entsprechen (vgl. Mk 10,1ff). Nachdem Er kurz darauf ein Gespräch mit einem Reichen führt, den Er aufgrund des Festhaltens am Reichtum kritisiert, kommen die Jünger schließlich bestürzt zu der Frage, die die Anforderungen zusammenfasst: „Wer kann dann gerettet werden?“ (Mk 10,26). Die Bibelstellen zeigen deutlich, dass das Leben mit Jesus keine leichtsinnige Entscheidung darstellt, sondern eine völlige Hingabe erfordert.

 

Markus 9,43-48 beschäftigt sich in diesem Kontext mit dem Thema Verführung zur Sünde – nicht mit vollbrachter Sünde. Aber geht die Hingabe so weit, dass man nach Markus 9,43-48 seinen Körper bei Versuchungen verstümmeln muss, um in das Reich Gottes hineinzukommen? Die Frage ist nicht unberechtigt, da es durchaus Menschen gibt, die diese Meinung vertreten oder mindestens eine asketische Lebensweise zur Heiligung führen und auf gewisse Genussmittel oder Sexualität verzichten. Würde man eine wörtliche Amputation annehmen, so müsste man beide Augen ausreißen, um beispielsweise dem begehrlichen Blick zu entfliehen. Dies würde schließlich bei einer ganzheitlichen Verstümmelung enden.

Und doch würden die Bilder im Kopf bleiben, da nach Markus 7,21 die bösen Gedanken aus dem inneren Herzen hervorkommen: „Denn von innen aus dem Herzen der Menschen gehen hervor die schlechten Gedanken.“ Somit kann mit Sicherheit festgehalten werden, dass die Verse 43‑48 zunächst als Bildworte zu verstehen sind (vgl. Pohl 2011, S.362). Doch wie sind diese schließlich zu deuten?

 

Umgang mit Verführung

Mit V.42 wird zunächst deutlich, dass die Verführung durch andere Menschen geschehen kann. Die Verse 43-48 zeigen jedoch auf, dass die Versuchung auch von einem selbst ausgehen kann und sich selbst betrifft (Maier, 2018, S.400). Die Bibelstelle ruft somit auf, darauf zu achten, „sich nicht selbst vom rechten Weg abzubringen“, indem wir ein Selbstgericht ausüben (Walvoord & Zuck, 2000, S.180). Im weiteren Sinne bedeutet dies bereits für die Errettung, sich selbst zu richten, damit man nicht gerichtet wird (vgl. 1.Kor 11,31). Das führt uns zum Kreuz Christi, das uns vor dem Gericht bewahrt, wenn wir uns selbst verleugnen und das Erlösungswerk im Glauben annehmen (vgl. Joh 5,24; Mt 16,24). Das ist das Werk, das nur durch Gott möglich ist und die vorherige Frage beantwortet, wer gerettet werden kann (vgl. Mk 10,26).

 

In V.42 wird der Verweis auf Menschen gemacht, die Jesus bereits nachfolgen. Man kann somit darauf schließen, dass sich der Bibeltext in erster Linie nicht auf die Rechtfertigung im Glauben durch das Selbstgericht bezieht, sondern im engeren Sinne auf das Selbstgericht in der Heiligung (vgl. 1.Tim 6,20). Die Versuchung eines Christen kann durch die Hand geschehen, die als Werkzeug unsere inneren Neigungen und Begierden zum Vorschein bringt (vgl. ebd.). Diese Neigungen erstreben nach Markus 7,22 Unzucht, Dieberei, Mord, Ehebruch, Habsucht, Arglist, Ausschweifung etc. und entsprechen der menschlichen Natur (vgl. Röm 8,3).

Dass Jesus in dieser Passage die gleichen Parallelen zum Auge und zum Fuß macht, zeigt, dass die Versuchung verschiedene Gesichter hat und durch unterschiedliche Werkzeuge geschehen kann. Symbolisch könnte der Fuß für unseren Wandel, die Hand für unsere Taten und das Auge für die Dinge stehen, die wir begehren. Es ist wichtig, dass sich die Neigungen unseres Fleisches nicht in unserem Herzen verankern und somit in einer Einheit mit unserem Willen stehen. Dies führt dazu, dass das Böse in unserem Herzen nach außen getragen und somit zur offensichtlichen Sünde wird (vgl. Jak 1,14f.).

Ein praktisches Beispiel: die Ausschweifung. Die Ausschweifung selbst ist die Sünde. Unsere Begierde strebt nach dem Ausleben dieser Sünde. Das Werkzeug der Begierde nach Ausschweifung ist unser Auge, das uns durch Videos und Bilder z.B. zu einer unkontrollierten Beschäftigung mit dem Handy reizt. Die Sünde wird schließlich geboren, wenn wir dieser Begierde nachgeben und sich die Ausschweifung in unserem Herzen verankert. Dass wir keine Kontrolle mehr im Umgang mit dem Handy haben, spiegelt die offensichtliche Sünde wider.

 

Doch wie vermeide ich die Werke des Fleisches? Die Antwort findet sich im gleichen Vers: „Hau ab!“ Mit anderen Worten: Führe ein Selbstgericht mit dir durch. Wenn also die Gefahr besteht, dass uns etwas wichtiger wird als Christus oder uns etwas von Christus trennen könnte, dann ist es die christliche Pflicht, diese Dinge herauszureißen (vgl. Henry 2017, S.232). Die Aufforderung in den Versen 43-47 kommt einem vorbeugenden Charakter gleich, damit wir vor der Sünde bewahrt werden. Für das Praxisbeispiel bedeutet dies, dass ich frühzeitig meine Handyzeit einschränke und auf bestimmte Plattformen verzichte.

Der Bibeltext ruft uns zu einer ständigen Selbstreflexion auf: Gibt es andere Dinge in letzter Zeit, die mir immer wichtiger werden und mit denen ich immer mehr Zeit verbringe? Habe ich in letzter Zeit zunehmend mehr in meine Hobbys, mein Haus, meine Arbeit oder mein Aussehen investiert als in das Reich Gottes? Wenn ja, dann bedeutet das nicht sofort, dass man den Job kündigen muss und keinen Freizeitaktivitäten nachgehen darf. Aber gleichzeitig müssen wir gegen diese Dinge vorgehen und sie entweder radikal entfernen oder radikal einschränken, damit die Treue zu Jesus erhalten bleibt.

 

Wenn uns etwas von Christus zu trennen droht oder uns wichtiger als Er werden will, dann ist es die christliche Pflicht,
diese Dinge zu entfernen. Bildquelle: AdobeStock © exclusive-design

 

Die Konsequenz

Das Überdenken und Setzen von Prioritäten zeigen unsere Pflicht im Umgang mit Versuchung. Der Bibeltext offenbart jedoch auch die Notwendigkeit dieser Pflicht, da unsere Zukunft davon abhängt. Dazu nennt uns Jesus zwei Orte, in die wir einkehren können: Das Reich Gottes oder die Hölle (vgl. V.43-45). Jesus sagt: „Es ist dir besser, als Krüppel in das Leben einzugehen, als mit zwei Händen in die Hölle hinabzufahren, in das unauslöschliche Feuer“ (V.43b). Die gleiche Aussage beinhalten auch V.44 und V.45 in Bezug auf das Auge und den Fuß.

An das vorherige Kapitel anschließend wird die Botschaft deutlich, lieber auf gewisse irdische Besitztümer zu verzichten, um ganz Jesus zu gehören und so in das ewige Leben hineinzugehen (vgl. Walvoord & Zuck 2000, S.180). Gibt man seinen Begierden jedoch bewusst Raum, so resultieren sie in der Sünde und bringen ohne Buße den Tod in der ewigen Verdammnis (vgl. Jak 1,14f.).

Für „Hölle“ verwendet Jesus den aramäischen Ausdruck „geenna“, was auf das „gehinnom“ (das Hinnomtal im Süden Jerusalems) zurückgeht (vgl. Maier 2018, S.400). Zur Zeit der jüdischen Könige wurden dort Kinder für den Moloch verbrannt (vgl. 2.Kön 23,10; 2.Chr 28,3; Jer 7,31). Daher wurde dieses Tal auch zum Gerichtsort für Gott (vgl. Jer 7,31; 32,35). Nach den Reformen Josias (vgl. 2.Kön 23,10) brannte an diesem Ort ein ständiges Feuer, um die anfallenden Müllberge mit dem Ungeziefer, dem Wurm, zu verbrennen (Walvoord & Zuck 2000, S.181). In V.48 beschreibt Jesus die Hölle als einen Ort, „wo ihr Wurm nicht stirbt und das Feuer nicht erlischt“ (in einigen Handschriften wird diese Aussage auch zu V.44 und V.46 hinzugefügt). In der jüdischen Vorstellung waren der Wurm und das Feuer eine Metapher für die zukünftige Bestrafung der Bösen und verdeutlichen nach Walvoord und Zuck die ewige innere (Wurm) und äußere (Feuer) Qual in der Hölle (vgl. S.181).

 

Abschlussgedanken – Folgerungen für den Alltag

Der Verweis auf die Hölle, als Konsequenz der Sünde, soll uns nicht dazu motivieren, Gott aus Furcht zu dienen. Jesus sagt zwar: „Fürchtet aber vielmehr den, der sowohl Seele als Leib zu verderben vermag in der Hölle“ (Mt 10,28), sodass wir Gott immer in einer ehrfürchtigen Haltung gegenübertreten sollten. Doch entsteht unser Gehorsam Ihm gegenüber aus dem höchsten Gebot der Liebe zu Gott und unserem Nächsten (vgl. Mt 22,37f.).

Auch wenn diese Liebe in unserem Herzen verankert ist, so sind wir dennoch Versuchungen ausgesetzt (vgl. 1.Petr 5,8). Das Wort Gottes fordert uns dazu auf, dass wir nüchtern sein und wachen sollen (vgl. ebd.). In diesem Sinne ruft uns der betrachtete Bibeltext zur ständigen Selbstreflektion auf und zur Entfernung aller Dinge, die unsere Treue zu Gott trennen könnten. Unser Beitrag dazu ist, dass wir uns in der Gottesfurcht üben, damit die Heiligung gelingen kann (vgl. 1.Tim 4,7).

Gottes viel größerer Beitrag ist es schließlich, dass Er in uns zum einen das Wollen und zum anderen auch das Vollbringen bewirkt (vgl. Phil 2,13). Dies geschieht, indem Er durch den Heiligen Geist die nötige Kraft gibt, unser Auge sinnbildlich herauszureißen und den Fuß oder die Hand abzuhacken (vgl. Eph 6,10). Paulus schreibt dazu zusammenfassend in Galater 5,16: „Wandelt im Geiste, und ihr werdet die Lust des Fleisches nicht vollbringen.“

 

Marcel Kolbasa, Gemeinde Molbergen

 

 

Bibelzitate folgen, wenn nicht anders angegeben, der Elberfelder Bibelübersetzung.

 

Literatur

Henry, M. (2017). Der neue Henry Matthew Kommentar -  Matthäus – Johannes. Waldems: 3L Verlag

Maier, G. (2018). Edition C Bibelkommentar – Neues Testament. Holzgerlingen: SCM

Pohl, A. (2011). Das Evangelium des Markus. In Laubach, F; Pohl, A. & Stoll, C. Wuppertaler Studienbibel.

Witten: SCM R. Brockhaus

Walvoord, J. & Zuck, R. (Hrsg.) (2000). Das Neue Testament erklärt und ausgelegt. Holzgerlingen: Hänssler