Russische Seite: Die Gabe der Wohltätigkeit

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Russische Seite: Die Gabe der Wohltätigkeit

2023-07-15T11:46:25+02:0027. Juni 2023|

Wer Barmherzigkeit übt, der tue es freudig“ (Röm 12,8).

 

Unter Wohltätigkeit versteht man meist die Unterstützung mit materiellen Gütern. Wenn es heißt, dass es Zeit für Wohltätigkeit ist, erwartet jeder, dass humanitäre Hilfe verteilt wird. In Wahrheit ist Wohltätigkeit nicht das Verschenken von materiellen Dingen. Es ist eine Gabe der Barmherzigkeit, wie sie in der englischen Übersetzung genannt wird.

 

Ein warmherziger Mensch

In der Russisch Synodalen Übersetzung geht es in der oben genannten Bibelstelle um Herzenswärme [anstatt um Freudigkeit]. Herzenswärme (oder herzliches Entgegenkommen) ist ein sehr interessanter Zustand, der mit der Gastfreundschaft nah verwandt ist. Es wird oft gesagt, man sei gastfreundlich empfangen worden. Man sei so empfangen worden, dass man gerne wiederkommen wolle und nicht bereue, dort gewesen zu sein. Die Menschen hätten ihr Herz geöffnet und daher habe man gern dort verweilen wollen. Ein solches Bild hat mit dem Verschenken von materiellen Gütern nicht zu tun.

Es handelt sich nicht um eine eindeutige Gabe. Bei einer genaueren Übersetzung dieser Schriftstelle liegt das Hauptmerkmal auf der Gabe eines Wohltäters, nämlich der Fähigkeit zur Empathie. Es beginnt mit dem Einfühlungsvermögen, das den Wunsch beinhaltet, diejenigen zu trösten und zu beruhigen, die in Not sind oder anderen Zuspruch brauchen.

Das geschieht mit einer besonderen Freundlichkeit und nicht mit Gewalt. Eine besondere Kombination aus Gefühl und Wunsch macht den Wohltäter fähig, Gutes zu tun.

 

Jemand mag meinen, dass er sich zum Trösten qualifiziert, weil er gerade keinen Grund zur Trauer hat und daher trösten kann. Nein, kann er nicht! Er muss mitfühlen können. Und er muss froh sein, dass Gott ihm diese Gabe und solch ein Herz gegeben hat, dass er sich in eine Person hineinversetzen kann. Nicht, weil er durch seine menschliche Kraft so stark ist, sondern durch die Wirkung des Heiligen Geistes Gottes!

 

Neben dem Mitgefühl umfasst die Gabe auch Sympathie, Mitleid, Freundlichkeit, Geduld und hat ein Ziel: Anderen in ihrer Not zu helfen und sie so gut wie möglich zu trösten und zu unterstützen. Es wird oft gesagt, dass das eigene Hemd näher am Körper ist. Das ist nicht immer der Fall. Es gibt Menschen, die darunter leiden, wenn jemandem das Hemd weggenommen wird. Sie werden verletzt, wenn jemand anderes trauert oder krank ist – was viel häufiger vorkommt, als uns bewusst ist.

 

Unauffällige Mitfühlende

Solche Menschen sind in der Lage, den Schmerz anderer Menschen zu fühlen. Sie sind sehr wertvoll. Ein Wohltäter ist also kein Handelnder, sondern vielmehr ein Mitfühlender. Er kann die Not der Person, die seine Liebe braucht, gut nachempfinden. Aus dieser Empathie heraus entsteht der Wunsch zu helfen, sowie die Fähigkeit, etwas sehr Bedeutendes zu sagen oder auch einfach zu schweigen.

 

Solche Menschen sind in der Lage, den wirklichen Zustand der Menschen zu verstehen. Sie wissen, wie sie auf Menschen zugehen und mit ihrem Mitgefühl unterstützen können. Sie erkennen genau, welche Art von Annäherung hier stattfinden muss. Die Hauptsache in ihrem Handeln ist das Mitgefühl.

 

Diese Menschen sind oft unauffällig. Sie sind nicht leicht zu erkennen, geben ihr Mitgefühl nicht jedem Preis. Sensible Menschen erscheinen oft schwach und unsicher. Um gerade wegen ihrer erhöhten Sensibilität nicht belächelt zu werden, verbergen sie ihre Gefühle.

 

Apostel Paulus gehörte zu diesen Menschen

Er sagte von sich selbst: „Denn die Briefe, sagt einer, sind gewichtig und stark, aber die leibliche Gegenwart ist schwach und die Rede verachtenswert“ (2.Kor 10,10).

In der Tat ist es eine große Gabe, nicht den ganzen Raum zu beanspruchen, sondern auch andere zu Wort kommen zu lassen. Apostel Paulus war bereit, geringer als andere zu sein, damit sich um ihn herum niemand unterlegen fühlte. Nur in einer solchen Position kann der Mensch sein Herz öffnen.

 

Solche Menschen sind leicht zu kränken, leicht zu verletzen. Trotzdem können sie all das erdulden, um jemandem zu helfen, der bereit ist, sein Herz zu öffnen. Sie sind keine Schwächlinge oder gehören zu jenen, die meinen, es gehe ihnen immer gut. Bei ihrem Anblick erkennt man, dass auch andere leiden, Schwierigkeiten erleben und plötzlich öffnet sich das eigene Herz.

 

Es ist leicht, solche Menschen an der Art und Weise zu erkennen, wie sie jemanden genau und liebevoll zurechtweisen. Gerade sie wissen, dass Vorwürfe und Zurechtweisungen verletzen können, wenn man bereits genug Schmerzen hat. In diesen Menschen steckt eine stille Stärke. Die Schwachen (diejenigen, die in ihrem geistlichen Leben nicht sehr erfolgreich sind) werden buchstäblich von ihnen angezogen. Manche suchen nach einem Wort, das sie persönlich anspricht, andere suchen einfach eine Schulter zum Anlehnen.

 

Auch Menschen, die mit der Gabe des Mitgefühls gesegnet sind, brauchen Unterstützung.

Wohltäter müssen unterstützt und ermutigt werden. Man muss ihnen die Möglichkeit geben, diese Gabe zu nutzen und die Kraft des Heiligen Geistes zu entfalten. In der Tat ist es die Kraft des Heiligen Geistes, die die Menschen zur Barmherzigkeit befähigt. Das ist es, was Jesus Christus auf die Erde brachte. Was hat Ihm im Himmel gefehlt? War Er unglücklich im Himmel inmitten der Engelschöre und des ganzen Lobes? Was hat Christus auf die Erde gebracht? Nur eines – Mitleid mit den Menschen. Mit guten Menschen? Oder wusste Er nicht, wie sie Ihm begegnen würden? Wusste Er nicht, dass Ihn Leiden erwarteten? Er wusste es: „Ich komme, um deinen Willen zu tun, o Gott“ (Hebr 10,7).

Christus hätte in Reichtum und Herrlichkeit erscheinen und in Komfort leben können. Aber es war, als hätte Er sich absichtlich jeder Art von Schmerz unterworfen. Nur um denen zu helfen, die in Versuchung waren. Er tadelte sie nicht, sondern hatte Mitleid. Er betrat das Haus der Zöllner und Huren und blieb doch rein. Er verstand, wie kompliziert das Leben ist, wie viel einen Menschen in diesem Leben zu den falschen Dingen zieht, die das Herz verletzen und ihn zu einem Niemand machen. Er kam, um die Menschen aufzurichten und zu heilen.

 

Wie man Wohltäter erkennt

Das Gleichnis vom barmherzigen Samariter (vgl. Lk 10,30-35) ist ein vielschichtiger und lehrreicher Text. Der barmherzige Samariter konnte an einem Mann in Not nicht vorbeigehen, der von Räubern überfallen worden war, die ihn ausgezogen, verwundet und halbtot liegen gelassen hatten. Trotz der Kluft, die den Samariter von dem Juden trennte, half er ihm. Das Wichtigste, das einen Wohltäter auszeichnet, ist Barmherzigkeit. Es ist der Charakter von Wohltätern, Mitgefühl für Menschen zu empfinden. Unabhängig davon, wer in Not geraten ist. Er „sah ihn und hatte Erbarmen“ (Lk 10,33).

Nachdem er sich genähert hatte, verband er seine Wunden, goss Öl und Wein darauf und hob ihn auf seinen eigenen Esel und brachte den Verwundeten in eine Herberge. Dort sorgte er für ihn. Es ist offensichtlich, dass der barmherzige Samariter all dies nicht widerwillig tat. Solche Menschen fühlen sich zum Helfen hingezogen. Sie werden dorthin gezogen, wo Menschen leiden.

Wohltäter sind in gewisser Weise sehr praktisch. Sie können Wunden ohne unnötiges Seufzen verbinden, Personen an den richtigen Ort bringen, Kosten übernehmen. Es ist, als ob das Leben selbst alles für sie vorbereitet hat. Sie haben alles, was sie benötigen: Wein, Öl, ein Transportmittel, Geld. All das ist immer zur Hand.

Und am anderen Tag, als er fortzog, gab er dem Wirt zwei Denare und sprach zu ihm: Verpflege ihn! Und wenn du mehr aufwendest, will ich dir bezahlen, wenn ich wiederkomme“ (Lk 10,35). Niemand von uns zweifelt daran, dass das Geld zum Wohle des Verwundeten verwendet wurde. Falls es notwendig gewesen wäre, hätte er weitere Mittel aufgetrieben. Irgendwie verstand der barmherzige Samariter, dass der Wirt seinen Teil der guten Tat erfüllen würde. Er hielt ihn für vertrauenswürdig. Aus irgendeinem Grund haben solche Menschen eine besondere Gabe: sie können Menschen sehr gut einschätzen.

Der Samariter jammerte nicht, was aus dem armen Mann nur werden sollte, ebenso verurteilte er die Anderen nicht und meinte, er sei der einzig Gute. Er rätselte nicht, was als nächstes passieren sollte. Für die Zukunft hatte er nur eines im Kopf: dass der Verwundete nicht hinausgeworfen werden würde, sobald das Geld aufgebraucht war und versprach daher, die Mehrkosten auf dem Rückweg zu decken.

 

Über die Fröhlichkeit

Das Wort „Heiterkeit“ wird im Englischen als „Fröhlichkeit“ übersetzt und bedeutet, dass man sich keine Sorgen machen und fröhlich bleiben soll. Sollte man in seiner Wohltätigkeit nicht verstanden, unterstützt oder es einem gedankt werden, solle man sich keine Sorgen machen, sondern vielmehr unablässig Gutes zu tun.

Jesus Christus hatte ein Haus, das Er gerne besuchte. Dort lebten Martha, Maria und Lazarus. Sie waren alles andere als sündlos, dennoch gab es etwas in diesem Haus, das Ihn anzog, weshalb Er gerne dorthin kam. Vielleicht hatte Maria eine besondere Art des Zuhörens, Martha eine besondere Art des Dienens und Lazarus eine besondere Art des Glaubens. In diesem Haus hatte Christus einen großartigen Platz. Er konnte gute Werke mit Freude tun, oder wie die Engländer sagen würden: mit Fröhlichkeit Gutes tun. Dort wurde Barmherzigkeit angestrebt und gelebt.

Es gibt Zeiten, in denen man die Hilfe eines anderen annehmen muss, weil man die bedrückenden Folgen sieht und es keinen Ausweg mehr gibt – man fühlt sich in den Händen des Helfenden. Ein anderes Mal danken wir Gott, dass diese Person auf unserem Weg war. So ein Seelsorger, Bruder oder Schwester, hat eine besondere Art zu sprechen, zu schweigen oder zu helfen. Solchen Menschen ahmt man gerne nach, wenn man aus der schwierigen Situation herausgekommen ist.

Menschen, in denen die Gabe der Wohltätigkeit wirkt, können schwächer und wenig erfolgreich im Leben sein, aber im geistlichen Leben viel erreichen. Die Gabe des Wohltäters ist sehr wichtig für die Gemeinde. Auch die Stärksten brauchen diese Art des Dienens. Es ist gut, wenn diese Gabe in der Gemeinde vorhanden ist. Dann gibt es keine Bedürftigen, weil es jemanden (oder mehrere) gibt, der mit ihnen mitfühlt, sie unterstützt, ihre Wunden versorgt. Alles das auf unauffällige und unkomplizierte Weise.

 

Leonid Odesskij,

Tel-Aviv

 

Zitate:

  1. Das Hauptziel der Gabe der Wohltätigkeit liegt in der Fähigkeit zur Empathie.
  2. Ein Wohltäter ist weniger ein Handelnder, sondern vielmehr ein Mitfühlender. Er hat ein gutes Gespür für diejenigen, die seine Liebe benötigen.
  3. Menschen, die mit der Gabe des Mitgefühls gesegnet sind, benötigen selbst Unterstützung.