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Einblicke in die Kindheit von Schwester Maria Ped
„Vertraue auf den HERRN von ganzem Herzen und verlass dich nicht auf deinen Verstand; erkenne ihn auf allen deinen Wegen, so wird er deine Pfade ebnen“ (Spr 3,5-6/SCH 1951).
Diese Worte hören wir häufig in Gottesdiensten und nicht selten, wenn wir ältere Menschen besuchen. Auch Schwester Maria sagt diese Verse oft auf. Sie haben in ihrem Leben eine große Bedeutung erlangt.
Es hätte so weitergehen können
Am 24. Oktober 1936 kam Schwester Maria Ped als fünftes von acht Kindern zur Welt. Ihre Eltern zogen im Zuge des Zweiten Weltkrieges von Preußen in die Ukraine. Die Familie lebte in einer sehr schönen und idyllischen Landschaft mit Wald und Fluss. In nur wenigen Jahren vermehrte sich durch harte Arbeit der Besitz der Familie. Marias Vater besaß sehr viel Land und Vieh. Er hielt Arbeitspferde, Sportpferde, Kühe, Schweine und Schafe. Außerdem stellte er Holzkohle für die Schmiede her, welche sie dann in der Region am Schwarzen Meer, der Krim, verkauften. Der Alltag der Familie war von viel Mühe und Sorge um das Hab und Gut geprägt. Sie waren zufrieden und es hätte so weitergehen können.
Doch es kam alles anders als erwartet. In den 30er-Jahren fand eine Zwangskollektivierung in der Sowjetunion statt, wodurch die Bauern gezwungen wurden, ihre individuellen Bauernhöfe aufzugeben und sich sozialistischen Großbetrieben (Kolchosen) anzuschließen. Nach und nach wurden die Menschen enteignet und oft geschah dies unter Anwendung von Gewalt. Wer sich weigerte, musste mit gravierenden Folgen rechnen. Er wurde verhaftet und weggeschickt. Oft erfuhren die Familien nie, wohin ihre Väter und Ehemänner gebracht wurden. In den meisten Fällen sahen sich die Angehörigen nie wieder.
Im Jahre 1938 beschlagnahmte die Regierung auch all das erwirtschafte und aufgebaute Hab und Gut der Familie Ped. Marias Onkel, der der kommunistischen Partei beigetreten war, teilte ihrem Vater heimlich mit, dass alle, die mit dem System der Regierung „einverstanden“ wären und ihren ganzen Besitz freiwillig abgaben, nicht umgebracht oder verschleppt werden würden. In nur zwei Tagen sollte der Vater seinen ganzen Besitz selbst in die Kolchose bringen und dort abgeben.
Im gleichen Jahr erkrankte der älteste Sohn der Familie, der von allen sehr geliebt wurde, schwer. Eine Wunde hatte sich geöffnet, die unbedingt operiert werden musste. Leider missglückte die Operation. Die Wunde entzündete sich und der Sohn starb.
Hinzu kam, dass Familie Ped im Herbst des gleichen Jahres ihre komplette Ernte abgeben musste. Der Vater zeigte sich nach außen hin immer ruhig und gelassen und nahm diese ganzen Ereignisse scheinbar ruhig hin. Die Verluste trafen ihn dennoch sehr schwer. Er wurde darüber dermaßen entmutigt, dass er krank wurde und im Jahre 1944 noch vor Ende des Zweiten Weltkriegs verstarb.
Gott allen Trostes
Trotz all dieser Schicksalsschläge ließ Gott die Familie nicht ohne Seinen Trost. Familie Ped war lutherischen Glaubens. Die Lehre des Heiligen Geistes war in dem Dorf bis zum Jahr 1938 unbekannt. Während des Kommunismus kam sie durch Iwan Woronajew auch in ihr Dorf. Eine analphabetische Frau war die Erste und einige Zeit auch die Einzige in ihrer Region, die mit dem Heiligen Geist getauft war.
Später versammelte sich eine kleine Gruppe von Menschen, denen es nach Gott verlangte, in einem Hauskreis bei Marias Onkel. Zu diesen Gemeinschaften ging auch ihre älteste Schwester. Dort wurde sie 1941 mit dem Heiligen Geist versiegelt. Zu dieser Zeit war Maria Ped 5 Jahre alt.
Das Jahr 1941 war für die Ukraine sehr schwer. In diesem Jahr eroberte die deutsche Armee ein sehr großes Territorium des Landes, unter anderem auch das Gebiet, wo Familie Ped wohnte. Doch damit endeten die Schrecken nicht. Die beiden ältesten Schwestern Marias wurden mit einem Zug, der eigentlich für Güter und Tiere bestimmt war, nach Deutschland zur Zwangsarbeit verschleppt. Das war ein sehr großes Leid für die Familie, denn man rechnete damit, sie nie wiederzusehen.
Schwester Maria beschreibt ihre Erinnerung an dieses traurige Ereignis wie folgt: „Ich verstand nicht, warum meine Schwestern nicht mehr da waren. Ich wusste nicht, wo sie waren. Auch meine Mutter konnte es mir nicht sagen. Ich war darüber sehr traurig und besorgt. Wir hatten in unserem Haus einen großen Ofen mit mehreren Stufen. Als es Nacht war, kletterte ich hinauf und flehte zu Gott, dass er meine Schwestern bewahren möge. Wie lange ich dort gebetet habe, weiß ich nicht. Aber dort oben auf dem Ofen versiegelte mich Gott mit fünf Jahren mit dem Heiligen Geist.“ So tröstete der himmlische Vater die kleine Maria.
Das Wunder bei der geplanten „Flusserschießung“
Kurz danach spielte sich ein weiteres tragisches Ereignis ab. Das Dorf, in dem Maria wohnte, wurde wie auch andere Dörfer für einige Zeit zu einer Zone zwischen den Kriegsfronten. Die Herrscher wechselten sich ständig ab: Am Tag herrschten die deutschen Truppen und in der Nacht, wenn diese sich vor Furcht zurückgezogen hatten, die „Partisanen“ (russische Guerillabewegung).
Wir dürfen immer wieder erkennen, dass Gott Seine Kinder, die Ihm in Reinheit und von ganzem Herzen nachfolgen, nicht im Stich lässt.
Eines Tages beschloss die deutsche Armee, alle Dorfbewohner an einem großen Fluss mit reißender Strömung zu erschießen. Man beschuldigte sie, dass ihre Männer und Söhne den Kriegern der Untergrundarmee angehören würden. Ein Reiter ritt an diesem Tag durch das Dorf und verkündete, dass sich alle Bewohner sofort am Fluss versammeln sollten. Alle wurden beim Fluss zusammengetrieben. Hätte es jemand gewagt, aus der Masse herauszutreten, wäre er sofort erschossen worden. Es war ein heißer Tag und so standen alle Dorfbewohner eine längere Zeit in der Hitze beisammen: die Alten, die Frauen und die Kinder. Auch die 6-jährige Maria war unter ihnen. Sie verstand damals nicht, warum alle so bitterlich weinten. Ihr ging es gut - ihre Mutter war doch bei ihr.
Die deutschen Soldaten standen etwas abseits von den Versammelten auf einem Hügel in einem Halbkreis. Sie saßen auf ihren Pferden und hatten große Helme mit dem SS-Zeichen darauf. Mit der Erschießung ließen sie sich Zeit. Zuletzt weinten auch die Kinder, die unter der Hitze des Tages litten.
Jemand äußerte den Wunsch nach einem letzten gemeinsamen Gebet. Dafür mussten sie jedoch die Erlaubnis der SS-Soldaten einholen, ansonsten bestand die Gefahr, sofort erschossen zu werden. Doch wer beherrschte die deutsche Sprache und traute sich, aus der Menge zu treten? Der Befehl war klar: Trat jemand aus der Masse, würde er sofort erschossen werden. Plötzlich löste sich eine Person von der Menge und bewegte sich auf die SS-Offiziere zu. Es war die Frau, die weder lesen noch schreiben konnte und die als Erste aus der Siedlung mit dem Heiligen Geist getauft worden war. Sie wurde mit dem Heiligen Geist erfüllt und ging zu den Offizieren. Ungefähr zwanzig Minuten redete sie mit ihnen, kam anschließend zurück und teilte mit, dass sie noch einmal zusammen beten dürften.
Mit Tränen in den Augen und Zittern in der Stimme sagt Schwester Maria im Interview: „Hier musste keiner mehr dem anderen sagen, wie man zu beten hatte. Hier gab es plötzlich keine Atheisten und keine Kommunisten mehr. Alle fielen auf ihre Knie und schrien zu Gott.“ Gott erhörte das Gebet. Nach langen Unterredungen der Offiziere zogen alle Soldaten wortlos von ihren Positionen ab. Für dieses Wunder gebrauchte Gott eine Frau, die unter den Menschen nichts galt, um Seinen Namen zu verherrlichen.
Gott gebrauchte für ein gewaltiges Wunder eine Frau, die unter den Menschen nichts galt, um Seinen Namen zu verherrlichen.
Der Nachklang
Auf Schwester Marias Lebensweg sowie während der Christenverfolgung und bei Aussagen vor Gericht war dieses Zeugnis von der „Flusserschießung“, die sie als 6-Jährige miterlebt hatte, ein starkes Argument, um alle Anfeindungen und Verleumdungen über Gott und ihren Glauben mit Erfolg zurückzuweisen. Denn dieses Zeugnis hatte sich weit im Land verbreitet und es war nicht zu leugnen, dass hier Gott und der Glaube an Ihn, die Menschen gerettet hatte.
Es war der Anfang eines schweren und viel gesegneten Lebensweges unserer Schwester im Glauben. In jungen Jahren wurde das feste und unerschütterliche Fundament in diesem jungen Herzen gelegt, das ihr niemand mehr nehmen konnte. Wir dürfen immer wieder erkennen, dass Gott Seine Kinder, die Ihm in Reinheit und von ganzem Herzen nachfolgen, nicht im Stich lässt. Er trägt sie vielmehr durch und bereitet Sich eine wunderschöne Braut für die Ewigkeit vor.
Als dieser Text seinen Anfang nahm, sah es noch nicht danach aus, dass wir uns in kürzester Zeit nicht mehr wie gewohnt frei versammeln dürfen. Vielleicht zeigt dieser Text nicht umsonst zwei Zustände: Der Eine arbeitet hart, schafft sich Vermögen an und muss dieses doch bereits in diesem Erdenleben abgeben; der Andere ist gegen allen menschlichen Verstand voller Hingabe, verlässt sich auf den Herrn, geht durch scheinbare Verluste und Verzicht und wird hernach gesegnet und zu einem kostbaren Stein im Reiche Gottes bearbeitet.
Der folgende Appell ist an uns alle gerichtet: Wir als Kinder Gottes sollen darauf achten, nicht zu denen zu gehören, die viel nach materiellem Besitz und wenig nach Geistlichem streben. Es kommen Prüfungen in unserem Leben. Steht mein Leben sicher auf einem festen Fundament?
Denis Savtschuk
Gemeinde Bremen-Mahndorf