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Müdigkeit ist nicht nur ein Phänomen, das ältere Menschen kennzeichnet. Oft werden gerade in der Jugend die eigenen Fähigkeiten und Kräfte überschätzt und man kommt an einen Punkt, wo man völlig kraftlos ist.
Das stellt auch der Prophet Jesaja fest: „Knaben werden müde und matt, und junge Männer straucheln und fallen“ (Jes 40,30). In diesem Kapitel beschreibt Jesaja die Vergänglichkeit und Schwachheit des Menschen und zeigt im Gegensatz die beständige Kraft Gottes auf: „Das Gras ist verdorrt, die Blume ist abgefallen […]; Siehe, Gott, der Herr, kommt mit Kraft […]; so groß ist seine Macht und so stark ist er“ (Jes 40,8.10.26).
Jesaja schließt das Kapitel, indem er zeigt, dass Gott von Seiner Macht und Stärke gerne abgibt: „[Er] wird nicht müde und matt […]! Er gibt dem Müden Kraft und Stärke genug dem Unvermögenden. Knaben werden müde und matt, und junge Männer straucheln und fallen; aber die auf den Herrn harren, kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler, dass sie laufen und nicht matt werden, dass sie wandeln und nicht müde werden“ (Vers 28b ff).
Wie ist das möglich?
Das ist nicht mehr natürlich, mag man jetzt einwenden. Und das stimmt: Diese emporschwingende Kraft ist mehr als natürlich – nämlich übernatürlich. Müde werden ist normal – ja, menschlich. Allem in der Welt sind Grenzen gesetzt, auch unserer physischen und psychischen Kraft. Nicht nur ein alttestamentlicher Prophet hat es erkannt, sondern auch die neutestamentlichen Apostel stimmen in dem Punkt überein: Sie reden nicht aus eigener Weisheit heraus, sondern in Erweisung des Geistes und der Kraft (vgl. 1.Kor 2,4).
Sie halten einen Schatz in irdenen Gefäßen, damit das Übermaß der Kraft von Gott sei und nicht aus ihnen (vgl. 2.Kor 4,7). Sie ermatten nicht. Auch wenn der äußere Mensch aufgerieben wird, so wird doch der innere Tag für Tag erneuert (vgl. 2.Kor 4,16). Sie wissen: Gottes Kraft kommt gerade in der Schwachheit zur Vollendung (vgl. 2.Kor 12,9) und wagen sogar diese Aussage:
„Ich vermag alles durch den, der mich stark macht, Christus“ (Phil 4,13). Es hat den Anschein, als vermochten es diese Männer, die Kraft Gottes im Alltag wirken zu lassen. Welches Geheimnis verbirgt sich dahinter, nicht mehr auf das nächste Wochenende warten zu müssen, um mal „richtig aufzutanken“?
Es ist befreiend zu wissen, nicht alles selbst stemmen zu müssen.
Wer kennt den Schlüssel, um auch im Alltag aus einer Phase der Resignation, Entmutigung, Verzagtheit, Bedrückung, Erschöpfung oder vielleicht auch einfach einer Überlastung herauszukommen? Jesaja gibt einen Hinweis: „Aber die auf den Herrn harren, kriegen neue Kraft“ (Jes 40,31). Dieser Satz, der vor tausenden Jahren geschrieben wurde, hat seine Aktualität nicht eingebüßt. Dieses beweisen Geschichten aus jüngster Zeit.
Wir lesen von Erweckungspredigern, die hin und wieder rund um die Uhr im Dienst standen und dabei weder physisch noch psychisch ermüdeten. Und das stets im Zusammenhang mit Gottes Kraft. Es ist also in dem Sinne kein verlorengegangenes Geheimnis, welches wiederentdeckt werden muss. Es ist etwas, was der westlichen Christenheit scheinbar schier unzugänglich geworden ist. Bevor wir uns auf die Suche nach dem verlorengegangenen Schlüssel begeben, wollen wir vorab auf einige Gründe eingehen, wieso wiedergeborene Menschen müde und resigniert werden.
Gründe für die Ermüdung
Ein Grund für den fehlenden Zugang zu Gottes Kraft scheint in dem Weltbild der westlichen Kultur, welches auch auf das Gemeindeleben abfärbt, zu finden zu sein: Es ist die Überaktivität. Das Gemeindeprogramm vieler westlicher Gemeinden ist vollgepackt mit unzähligen Aktivitäten. Dabei gehen viele „hilfsbeflissene Christmenschen darin unter, geraten in Erschöpfungsdepressionen. Wenn alles wichtig ist, ist nichts mehr wichtig“ (Eickhoff 2009:74).
Ohne an dieser Stelle das Thema der wesentlichsten Aufgabe einer lokalen Gemeinde zu behandeln, ist klar: Die vielen Wichtigkeiten im Gemeindeleben färben auch auf den einzelnen Christen ab und lösen leicht „Rastlosigkeit und Hetze aus, Mühsal und Belastung der Engagierten, die so gar nicht passen will zu dem, der gesagt hatte: ,so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen‘ (Mt 11,29)“ (Eickhoff 2009:75).
Oft herrscht die Meinung vor: Wenn alle 200% im Dienst geben, dann passiert etwas Gewaltiges. Vielleicht schimmert auch folgendes Denken durch: Gottes Werk hängt hauptsächlich vom Bemühen, von Anstrengung und der Hingabe jedes Einzelnen ab! Er verleiht Ausdruck in der Parole „nichts ist unmöglich, man muss es nur wollen, streng dich ordentlich an“.
Scheinbar kommen viele Christen vor lauter selbsterwählten Dingen nicht mehr zu ihrem eigentlichen Auftrag. Sie tun viel, aber nicht das Eine. Hierzulande findet man genug gestresste Christen, denen die Anforderungen über den Kopf wachsen. „Statt heilige Einseitigkeit findet man Vielseitigkeit: Es ist zu unserem Lebensstil geworden, uns vielen Dingen zuzuwenden bzw. uns ihnen auszusetzen. Das jedoch geht zu Lasten jeder tieferen Lebensgestaltung. Es verhindert ein konzentriertes, vollmächtiges Dasein“ (Eickhoff 1992:270).
Wo zu vieles wichtig ist, gerät das Wesentliche ins Abseits. Was ist eigentlich das Eine – das Wesentliche jedes Christen? In der Geschichte von Marta und Maria macht uns Jesus auf die Reduktion auf das Wesentliche aufmerksam. Marta habe viel Sorge und Mühe, stellte Jesus fest. „Eines aber ist Not“ (Lk 10,42).
Hier zeigt es sich: Für Jesus gibt es das Eine, das herausragt aus dem Vielen. „Anstatt sich zunächst zu Jesus Füßen zu setzen, meint die vielbeschäftigte Marta, sie könne dienen, ohne sich von ihm dienen zu lassen. Jesus stellt das Viele dem Einen gegenüber“ (Eickhoff 2009:76). Diese Geschichte macht ganz deutlich, dass Jesus nicht viel Wert auf Geschäftigkeit legt. Sehr beschäftigt zu sein kann auch mit ganz in Anspruch genommen zu sein übersetzt werden. Marta trieb unnötigen Aufwand. Sie ließ sich hetzen.
Geistliche und auch materielle Dienste in der Gemeinde können zu viel Beschäftigung führen – und auch einen Christen in Depressionen und ins Burnout treiben. Das Eine, das heute mehr denn je fehlt und das wir mehr denn je nötig haben, ist, zu Jesu Füßen zu sitzen und Jesu Dienst an uns ergehen zu lassen. Aber mehr dazu, später. Ein weiterer Grund ist die ausbleibende Frucht in geistlichen Dingen. Man müht sich ab, macht und tut – sieht das Ergebnis seiner Arbeit aber nicht.
Es bleibt meist lediglich ein vages Hoffen, dass sich die Aussage „Mein Wort kehrt nicht leer zurück“ irgendwie – auch wenn nicht sofort sichtbar – bewahrheitet. Vergleicht man jüngste Erweckungen, so findet man ebenfalls viel Bewegung und Aktion. Es herrscht Hochbetrieb in den Gemeinden. Nicht nur dadurch, dass viele Schein-Christen zur Bekehrung kommen, sondern vor allem durch die hereinströmenden Menschen, die von Gottes Geist überführt worden sind und einer enormen Fürsorge bedürfen. Aber man findet auch Frucht und das meist massenweise.
Trotz der starken Beschäftigung weiß man aus jüngsten Erweckungsgeschichten, dass es nur äußerst selten zur Überlastung, Müdigkeit oder gar Burnout kommt. Der Grund dafür ist: Gemeinden sind übermäßig mit Erfolg gesegnet. Ähnliche Umstände findet man in der Urgemeinde wieder. „Die Diener Gottes hatten immer offensichtliche Resultate aufzuweisen. Wohin sie auch gingen, sie hatten immer die Frucht ihres Dienstes vor Augen; sie arbeiteten dafür, sie erwarteten Frucht und erhielten sie auch“ (Smith 1999:17f).
Im Umkehrschluss heißt das: die vorherrschende Erfolgs- und Ergebnislosigkeit hierzulande zerrt außerordentlich an den Kräften der Christen, weil das Wort Gottes irgendwie nicht wie ein Feuer oder ein Hammer oder ein Schwert wirkt – zumindest nicht stark offensichtlich und sofort. „Es brennt nicht, es zerschmettert nichts und es dringt nicht durch“ (Smith 1999:14). Wir wollen uns nicht selbst belügen und die Sache schönreden.
In unseren Diensten kann viel Gutes durchscheinen, aber doch alles aus eigener Kraft geschehen.
Mal Hand auf´s Herz: In unseren Diensten kann viel Gutes durchscheinen, aber doch alles aus eigener Kraft geschehen. „Dabei haben sie den äußeren Schein von Gottesfurcht, deren Kraft aber verleugnen sie“ (2.Tim 3,5). „Ihr Dienst ist wirkungslos, und ihr Zeugnis ohne Frucht und leer und darum richten sie wenig oder gar nichts für den Herrn aus. Oft sind ganze Gemeinden sogar recht aktiv, sie arbeiten aus der Energie des Fleisches und darum gibt es kein Geistwirken. Seelen werden nicht gerettet, Gläubige werden weder erbaut noch im Glauben gefestigt“ (Smith 1999:35).
Fassen wir zusammen: Die Unfähigkeit, in den vielfältigen Wichtigkeiten, die eine Notwendigkeit zu finden, und die Fruchtlosigkeit im Dienst, lassen den Christen ermüden, ausbrennen und manchmal sogar resignieren.
Der Schlüssel
Und nun zur Eingangsfrage: Wie kann uns das „Dienen aus der Kraft heraus, die Gott darreicht“ oder das „Auf-den- Herrn-Hoffen“ nähergebracht werden? Wie ist das möglich? Wie kann die Kraft im Alltag angewandt werden? In Johannes 15 wird das, was die Urchristen auszeichnete und was auch in Erweckungszeiten wiederzufinden ist, mit „In- Ihm-bleiben“ und mit „Frucht-bringen“ umschrieben. Das Fehlen dieser beiden Komponenten haben wir als Gründe für das Ermüden im Dienst und allgemein im Handeln und Leben eines Christen aufgezählt und umschrieben.
Fehlt zum einen die Zeit – aufgrund von Überbeschäftigung – um bei Jesu Füßen zu sitzen und fehlt zum anderen die sichtbare Frucht im Leben, werden wir müde. Sind sie jedoch vorhanden, heben die Christen ihre Schwingen empor wie die Adler. Sie laufen und ermatten nicht. Sie gehen und ermüden nicht. „Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht, denn getrennt von mir könnt ihr nichts tun“ (Joh 15,5).
In Vers 4 macht Jesus auf das Wesentliche aufmerksam: „Gleichwie die Rebe nicht von sich selbst aus Frucht bringen kann, wenn sie nicht am Weinstock bleibt, so auch ihr nicht, wenn ihr nicht in mir bleibt.“ Der Fokus des wahren Jüngers Jesu liegt auf dem „In-Ihm-bleiben“. Nicht ein Jagen nach Status und Erfolg, nicht ein Hetzen und Auspowern im Dienst bis zum Rand der Erschöpfung, sondern einfach das „In-Ihm-bleiben“, das Stille-werden zu den Füßen des Meisters beim Lauschen Seiner Worte.
Die Frucht wird hier als Automatismus beschrieben. Wer in Ihm bleibt, der bringt viel Frucht! Das „In-Ihm-bleiben“ heißt, ein Leben mit Gott zu führen. Werfen wir einen Blick auf das Leben Jesu. Seine Leitung nach oben war intakt. Sein Schlüssel zum täglichen Kraftempfang aus Gottes unerschöpflichen Reserven war die Nähe zum Vater. Er suchte unaufhörlich die Nähe zum Vater. In der Gemeinschaft mit Seinem Vater war Er zu Hause.
Das Leben mit Gott sah bei Ihm folgendermaßen aus: Sein Reden war eine Eins-zu- eins-Übertragung: „Weil ich euch alles verkündet habe, was ich von meinem Vater gehört habe“ (Joh 15,15). Sein Dienst war ebenfalls ein Abbild Seines Vaters (vgl. Joh 10,32). Er lebte in völliger Abhängigkeit von Seinem Vater. „Leben wir aus diesen Quellen oder schöpfen wir aus den abgestandenen Pfützen eigener Frömmigkeit?“ (Eickhoff 1978:8).
Er nährte Seine Seele mit der Liebe Seines Vaters. Er labte Sich in der Gemeinschaft mit Seinem Vater (vgl. Schindler 2010:41). Die Nähe zum Vater war Ihm als Mensch auch nicht in den Schoß gelegt. Er suchte oft die Abgeschiedenheit (vgl. Mk 1,35; 6,46; 9,7; 14,35f). Seine innige Beziehung drückt sich im Abba-Kosenamen „Papi“ aus. Seine Nähe zum Vater war wie der Sauerstoff Seiner Seele (Schindler:25).
Daher kann festgehalten werden: Das lechzende Verlangen nach Gott ist die Grundhaltung für ein Leben mit Gott. „Eines also tut not: Wir brauchen größtmögliche Nähe zu Jesus. Hier werden Funken auf uns überspringen aus einer ewigen Glut. Das Feuer der Liebe Jesu wird uns entzünden, so dass wir brennen“ (Eickhoff 1978:9).
Geh in die Stille, in die Einsamkeit und ins Gebet, um wieder aufzutanken.
Daraus können wir folgern: Geh in die Stille, in die Einsamkeit und ins Gebet, um wieder aufzutanken. Wir können erst dann wieder echt lieben, wenn wir von Ihm neu mit Liebe beschenkt worden sind. Wir können lieben, weil Er uns zuerst liebt (vgl. 1.Joh 4,19). „Nur aus der Nähe zum Vater hatte Jesus die Vollmacht und die Freude, die Menschen anzieht und sie verändert. Was für Jesus essenziell wichtig war, ist für Seine Jünger genauso wichtig“ (:52).
Aus einem Leben im Geist, Leben mit Gott, Leben in Gemeinschaft und Beziehung mit Gott – und wie auch immer man das „In-Ihm-bleiben“ zum Ausdruck bringt – kann erst ein Dienen für Gott entstehen. Nur da kann das Wissen über Gott geteilt werden und nur dort kann man ein Zeuge für Gott sein, ohne dabei auszubrennen und zu resignieren. Damit soll nicht gesagt werden, dass es bei Christen keine Durststrecken gibt.
Wenn sie in eine Müdigkeitsphase kommen, versuchen sie die Gemeinschaft mit dem Vater wiederzufinden. Was tat Charles G. Finney – eine Schlüsselperson in der Erweckung ab 1821 in den USA, wenn er merkte, dass die innere Kraft nicht da war? Wenn seine Besuche, Predigten und Gebete geistlich keine Wirkung hatten?
„Dann setzte ich einen Tag zum Fasten und Beten an, weil ich fürchtete, dass diese Kraft von mir gewichen sei. Ich fragte ängstlich nach der Ursache dieser offensichtlichen geistlichen Dürre. Nachdem ich mich gebeugt und um Hilfe gefleht hatte, kam die Kraft in aller Frische wieder über mich. Das ist die Erfahrung meines Lebens gewesen“ (Smith 1999:34).
Diese Kraft war kein banges Hoffen, dass irgendwann irgendetwas bei irgendwem hängen bleibt und etwas bewirkt. Nein, er merkte sofort, dass die Kraft da war, weil „die Worte, die ich hier und da zu einzelnen sprach, das Mittel zu ihrer sofortigen Bekehrung wurden. Meine Worte drangen wie feurige Pfeile in die Herzen und bewirkten ein Sündenbekenntnis“ (Smith 1999:34). Das große Bedürfnis unserer Tage sind nicht besonders herausragende Kompetenzen und Methoden in der Kommunikation des Evangeliums, sondern das praktische Vorleben eines Lebens aus der Kraft Gottes.
„Die Welt wartet nicht auf eine neue Definition des Evangeliums, sondern auf eine neue Demonstration der Kraft des Evangeliums“ (Ravenhill 2000:40). „Geistliche Kraft und Wirksamkeit hängt nicht von unserer Begabung ab, sondern vor allem von unserer Gemeinschaft mit dem Herrn und unserem Gebetsleben. […] Ohne anhaltendes Gebet werden wir weder geistliche Kraft bekommen noch Effektivität erleben“ (Bühne 2011:44f).
Besonders bei diesem Punkt müssen wir bei Jesus in die Schule gehen. Seine große Nähe zum Vater lehrt uns, dass wir unseren Dienst und unsere Aufgabe aus eigener Kraft nicht packen werden. In Lukas 5,16 finden wir im Anschluss an die Schilderung der persönlichen Gebetszeit Jesu, dass die Kraft des Herrn da war, damit Er heilte. Nachdem Er allein mit Seinem Vater war, kommt gleich danach der Zusatz: Die Kraft war da! Aus der Nähe zum Vater suchte Jesus die Nähe zu den Menschen. Erfolgreiches, fruchtbares Leben wird aus Gebet geboren und genährt. „Um viel für Gott zu sein, müssen wir viel mit Gott sein“ (Ravenhill 2000:17).
In dieser lauten und überbeschäftigten Welt tut uns Eines Not: Mit Maria zu Jesu Füßen zu sitzen und zuzuhören! Sich von Jesus die Füße waschen zu lassen und sich einfach beschenken zu lassen. Und noch eins wollen wir festhalten: Bleibende Frucht entsteht nur durch „In-Ihm-bleiben“. Aus uns heraus, aus eigener Anstrengung können wir nichts Bleibendes, nichts mit Ewigkeitswert hervorbringen. Ein Leben mit Gott heißt, die 100%-ige Abhängigkeit von Gott zu spüren.
Der Fokus des wahren Jünger Jesu liegt auf dem „In-Ihm-bleiben“.
Zu wissen: ich bin mit jedem Atemzug und mit jeder Faser meines Lebens von Ihm abhängig. Genau das ist es, was das Jesus meint: „Glückselig sind die geistlich Armen“ (Mt 5,3). Genau das meint auch Paulus, wenn er sagt: „Darum will ich mich am liebsten vielmehr meiner Schwachheiten rühmen, damit die Kraft des Christus bei mir wohne“ (2.Kor 12,9). Ein Leben mit Gott führt zu „Großes erwarten von Gott“. „Der weit über die Maßen mehr zu tun vermag, als wir bitten oder verstehen, gemäß der Kraft, die in uns wirkt“ (Eph 3,20).
Das „In- Ihm-bleiben“ führt zum befreienden Wissen: ohne Ihn kann ich nichts tun – und ich muss es auch gar nicht. Es ist befreiend zu wissen, nicht alles selbst stemmen zu müssen. Es ermutigt zu wissen, dass der, der gesagt hat „Ich bin, der ich bin“ (2.Mo 3,14) auch täglich das „Ich bin da“ anbietet. Wie ein Vater täglich seinen Sohn mit offenen Armen erwartet und mehr noch: ihm entgegenrennt. Wenn der Sohn müde vom Wandern, langsam aber stetig den Weg in des Vaters Arm wiederfindet.
Der, der das „Ich bin da und warte auf dich“ anbietet, sagt auch: „Ich helfe dir. Ich stütze dich.“ Und wird Er uns mit Jesus nicht auch alles schenken? Welch ein großzügiger Geber aller guten Gaben!
Eins bleibt von der Olympiade 1992 in Barcelona in besonderer Erinnerung: Der potenzielle Gold-Anwärter Derek Redmond bricht auf halber Strecke beim 400 m Sprint zusammen: Ein Muskelriss im Oberschenkel. Weil er aber um jeden Preis durchs Ziel kommen will, humpelt er auch dann noch weiter, nachdem alle Konkurrenten schon lange am Ziel angekommen sind. Die Zuschauer beobachten mit Spannung, ob er es wohl humpelnd bis zum Ziel schaffen wird.
Plötzlich durchbricht ein Mann die Sicherheitsschranken, rennt in die Arena direkt auf Derek zu und greift ihm unter den Arm, um mit ihm gemeinsam die letzten Meter zum Ziel zu humpeln. Obwohl die beiden als letzte am Ziel ankommen, bekommen sie den größten Beifall in der Geschichte der Olympiade 1992. Es war sein Vater. Ein Vater tut das.
Du hast einen Vater, der mitten in deinem größten Versagen, deinem Schmerz zu dir gerannt kommt. Wenn die größte Enttäuschung oder Verletzung dich gedemütigt und Tränen zurückgelassen hat, ist der Vater zu Hilfe. Dein Vater macht das!
Schluss
„Ein Mensch ist ein Narr, wenn er Dinge für Gott unternimmt, noch bevor Gott ihn sendet, wie Saul es tat“ schreibt Swindoll (2000:169). Um nicht Dinge aus eigenem Antrieb heraus zu tun, brauchen wir eine klare Wegweisung vom Vater. Bakht Singh handelte nach folgendem Prinzip: Er unternahm nichts, bevor ihm nicht durch eine lang andauernde Gebetszeit klar wurde, was Gottes Wille in dieser Angelegenheit war. Er bemühte sich in allen Einzelheiten des Lebens, den Plan Gottes zu erfragen (vgl. Koshy 2005:70).
„Ob er eine Evangelisation plante oder auf die Straße ging. Vor jedem Handeln harrte er auf den Herrn, um Gewissheit zu erlangen, was Gottes konkreter Wille in der jeweiligen Situation sei“ (Koshy 2005:255). Das erinnert uns stark an das Ringen Jakobs: „Ich lasse dich nicht, es sei denn, du segnest mich!“ (1.Mo 32,27).
Im Gegensatz dazu lautet jedoch die Ansage in der westlichen Christenheit oft so: „Starte nach bestem Wissen und Gewissen, was du für richtig hältst und Gott wird es schon segnen.“ Vielleicht wirkt sich gerade das auf die anhaltende Fruchtlosigkeit in geistlichen Dingen aus? Des Weiteren haben wir schon erwähnt, dass der Trend der Zeit heute zu sein scheint, den Menschen möglichst multifunktional zu entwickeln.
Die damit verbundene Gefahr kann in einer humorvollen Darstellung des Begriffs „einfältig“ pointiert werden: „Das Wort einfältig hatte früher einen guten Klang. Er war der Mensch voller Weisheit. Heute dagegen ist der Einfältige – der Dumme. Unmerklich haben sich die Maßstäbe verschoben. Wie konnte es dazu kommen?
Unsere Welt wurde immer komplizierter, immer vielfältiger. Die Zahl der vermeintlich lebenswichtigen Dinge wuchs. Wer die Welt bewältigen wollte, musste vielseitig sein. Der Vielseitige wurde für klug gehalten. Die menschliche Seele aber findet ihre Kraft seltsamerweise nicht in den vielen Dingen, im Gegenteil.
Die Vielfalt dieser Welt hat uns viele Kräfte geraubt. Unsere Seelen sind an der Vielfalt erkrankt. Statt Weisheit haben wir nur noch Klugheit. Wir sind Menschen mit kranken Seelen. Müssen nicht Menschen mit kranken Seelen eine kranke Umwelt hervorbringen? Wie können wir Weisheit zurückgewinnen und gesund werden? Es gibt nach wie vor nur einen Weg: Lasst uns einfältig werden! Wer einfältig ist, schützt sich vor der Macht der vielen Dinge.
Wer von dem einen her lebt, wird viele Dinge, die ihm die Zeit rauben, als aufdringlich – aber unwesentlich durchschauen. Er wird sie lassen und – gewinnt Zeit. Es ist tatsächlich so: Wer Ewigkeit hat, der hat auch Zeit“ (Eickhoff 1992:271). Und einen Einblick in die Ewigkeit, ein Bewusstsein von der Realität der Ewigkeit findet man nur in der Nähe des Vaters. Dort wird mir wichtig, was auch Ihm wichtig ist.
Dort lerne ich Sein Herz kennen und damit auch Seinen Willen. Dort finde ich Ruhe und wahren Frieden in dieser rastlosen Zeit, die unfähig ist, still zu sein.
Erich Janz,
Gemeinde Braunschweig